Ein Kommentar von Kai-Hinrich Renner

Der "Spiegel" hat wieder einen starken Mann. Er heißt Georg Mascolo und hat ab sofort bei dem Nachrichtenmagazin allein das Sagen. Offiziell würde das im Verlagshaus an der Brandstwiete so niemand bestätigen. In einer Mitteilung heißt es, die Doppelspitze des "Spiegel" habe "neue Zuständigkeiten". Mascolos Widerpart Mathias Müller von Blumencron verantworte nun die digitalen "Spiegel"-Produkte, einschließlich "Spiegel Online", während Mascolo ab sofort allein für Print verantwortlich ist.

Was aussieht wie eine Realteilung, ist tatsächlich Resultat eines Machtkampfes, den Müller von Blumencron verloren hat. So sieht es zumindest die große Mehrheit der "Spiegel"-Redakteure. Den digitalen Medien gehört zwar die Zukunft. Doch in der Gegenwart ist beim "Spiegel" das gedruckte Nachrichtenmagazin publizistisch ungleich bedeutender. Ökonomisch ist es das sowieso.

Mit der nun getroffenen Entscheidung ist bei der nach innen autoritätsfixierten "Spiegel"-Redaktion die Welt wieder in Ordnung. Zwar hat es von Johannes K. Engel und Claus Jacobi bis zu Wolfgang Kaden und Hans Werner Kilz immer wieder Doppelspitzen in der Chefredaktion gegeben. Aber stets galt die Devise: Es kann nur einen geben. Zu Lebzeiten von Rudolf Augstein war es der "Spiegel"-Gründer, der das alleinige Sagen hatte. Nach seinem Tod ging diese Rolle auf Stefan Aust über. Gestern hat die Ära Mascolo begonnen.