Ortstermin in den beiden Stimmbezirken, wo jeweils die CDU am meisten verlor und die SPD am meisten gewann

Othmarschen/Lurup. Nur selten unterbricht der Lärm eines vorbeifahrenden Autos die Stille dieses Winternachmittags in Othmarschen. Jürgen Witt geht in den beschaulichen Straßen östlich des Jenischparks spazieren. Doch genau hier gab es am Sonntag einen "Erdrutsch" - politisch gesehen. Die CDU, die noch bei der Bürgerschaftswahl 2008 in der Gegend 70 Prozent der Wählerstimmen holte, stürzte auf 37,4 Prozent ab. Und Jürgen Witt ist einer, an dem das liegt.

"Ich habe immer die CDU gewählt, aber jetzt eben nicht mehr", sagt der Rentner. Viele CDU-Stammwähler müssen am vergangenen Sonntag so gedacht haben wie der 72-Jährige. Die Personalentscheidungen der Christdemokraten seien schuld an dem Desaster, meint Witt und zählt auf: die Frigge-Affäre, der Rücktritt von Ole von Beust - "und dann auch noch Ahlhaus als sein Nachfolger". Das seien alles "katastrophale Fehler" gewesen, sagt er. Und das Schlimmste, das sei ganz eindeutig die Schulreform gewesen. "Man kann den Eltern doch nicht ernsthaft das Wahlrecht nehmen wollen."

Kein Zufall also, dass genau hier am Hochrad der Widerstand von Walter Scheuerl gegen das schwarz-grüne Bildungsprojekt aufkeimte: In der Aula des Hochrad-Gymnasiums gründete Scheuerl im Mai 2008 die Initiative "Wir wollen lernen", die in dem Volksentscheid gegen die Schulreform endete. Jetzt verpassten die Othmarschener in ebendieser Aula der CDU einen deutlichen Denkzettel.

An diesem Nachmittag holen viele Mütter ihre Kinder von der Schule ab. Viele haben einen recht langen Schulweg, denn das bilinguale Gymnasium ist beliebt. Auch Britta Dreiling wartet in ihrem Kombi auf ihre Tochter. Warum ausgerechnet hier die CDU so massiv an Boden verloren hat, erklärt die 42-Jährige so: "Viele sind einfach wahlmüde geworden, und die CDU konnte kein schlüssiges Konzept bieten." Walter Scheuerl, den Britta Dreiling gern sogar auf einem noch höheren Listenplatz gesehen hätte, habe im Hochrad niemand abstrafen wollen, glaubt sie.

Ortswechsel. Nicht vornehme Villen, sondern Saga-Hochhäuser dominieren in Lurup. Im Wahllokal der Primarschule Langbargheide erreichte die SPD 68,8 Prozent der Stimmen - so viele wie wohl nirgends sonst in der Stadt. Doch so recht erklären kann sich das in diesem Stimmbezirk niemand. "Ach ja, stimmt, am Sonntag war ja Wahl. Das habe ich glatt vergessen", sagt eine junge Mutter, die einen Kinderwagen schiebt. Eine andere Frau hatte einfach keine Lust, zur Wahl zu gehen. Im Stehcafé sagt ein Mann, eine Stimmabgabe habe doch ohnehin keinen Sinn gehabt, da die Wahl schon entschieden gewesen sei. Und in der Änderungsschneiderei in den Saga-Hochhäusern sagt der Besitzer, er dürfe ohne deutschen Pass doch sowieso nicht wählen. In der Tat: Laut Landesliste sind in diesem Stimmbezirk am Sonntag nur 398 Wähler zur Wahl in der Primarschule erschienen - dies entspricht nicht einmal einem Drittel der Wahlberechtigten.

Auf dem eisigen Gehweg geht ein Passant spazieren. "Warum die SPD hier so stark geworden ist, weiß ich nicht", sagt er. Vielleicht galt für die Wähler in Lurup aber einfach auch das, was Jürgen Witt aus Othmarschen über Olaf Scholz meint: "Früher war er eine linke Socke, aber dann hat er an Profil gewonnen."