Eine Glosse von Sven Stillich

Photoshop ist ein Programm, mit dem sich mit wenig Aufwand wolkenlos blaue Himmel in neblige Urlaubsfotos zaubern lassen, rote Augen gehen damit weg, und kein Model wird auf ein Titelbild gedruckt, ohne dass vorher per Software Oberschenkel gestrafft und Fältchen geglättet wurden - bis also der Mensch, der gezeigt wird, kaum noch etwas mit dem echten Menschen zu tun hat. Photoshop hat die Welt verändert, unseren Blick auf Fotos und unsere Seherwartungen.

Dass man mit der Software auch gut Politik machen kann, wird gerade wieder einmal auf Hamburgs Straßen demonstriert: Da lächelt Angela Merkel auf Plakaten, doch es ist nicht die echte Merkel - und noch nicht einmal die aus dem Fernsehen -, nein: Es ist eine Angela Merkel, wie sie vielleicht vor zehn Jahren ausgesehen hat oder vielleicht auch noch nie. Und egal, ob es sich um Ahlhaus, Scholz, Hajduk oder Suding handelt: All ihre Porträts sind so geglättet, dass es einem gar nicht mehr in den Sinn kommt, die Politiker mit echten Menschen zu verwechseln. Wenn schon die Slogans kaum Inhalt haben ("Vernunft", "Und nu?", "Positiv handeln", "Für Hamburg. Deine Stadt"), darf auch kein Raum mehr sein für Persönlichkeit. Warum auch, schließlich könnte Individualität ja Wähler abschrecken. Um ihre Kandidaten lebendig wirken zu lassen, setzen die Parteien übrigens in diesem Wahlkampf verstärkt auf Lipgloss. Wobei, wer weiß: Bestimmt wurde auch der digital aufgetragen.