BDO aus Hamburg ist die fünftgrößte Beratungsgesellschaft in Deutschland. Die plant bis zu 130 neue Stellen, sagt deren Chef Holger Otte.
Hamburg. In der Branche der Wirtschaftsprüfer tobt ein heftiger Preiskampf, außerdem drohen harte Auflagen aus Brüssel. Das Abendblatt sprach mit Holger Otte, dem Chef der fünftgrößten Beratungsgesellschaft in Deutschland, der BDO in Hamburg. Er ist der Sohn von Hans-Heinrich Otte, der das Unternehmen 1963 gründete.
Hamburger Abendblatt: Große Teile der Wirtschaft sind 2010 wieder gewachsen. Warum nicht die Wirtschaftsprüfer?
Holger Otte: Die Honorare für die klassische Abschlussprüfung sind in der Krise gesunken und haben sich seither nicht erholt. Leider wird das Produkt von vielen Mandanten schlicht als gesetzliche Notwendigkeit empfunden ohne Bereitschaft, für den damit verbundenen Mehrwert einen angemessenen Preis zu zahlen. Darüber hinaus sind im Zuge der Wirtschaftskrise Aufträge für die Bewertung von Unternehmen im Rahmen von Übernahmen oder Fusionen weitgehend weggefallen.
Dieser Wettbewerbsdruck geht vor allem von den vier weltweit größten Anbietern KPMG, PwC, Ernst & Young und Deloitte aus. Wie sieht es in Deutschland aus?
Otte: Die 30 DAX-Unternehmen werden von den "Großen Vier" geprüft, wobei allein 20 Unternehmen von einer Gesellschaft geprüft werden. BDO ist die fünftgrößte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nach diesem Oligopol. Mittelständische, insbesondere aber inhabergeführte Unternehmen sind das Segment, dem die überwiegende Anzahl unserer Mandanten zugehörig ist. Allein in Hamburg prüft BDO über 70 mittelständische Unternehmen, darunter namhafte Firmen wie Deutsche Euroshop, SinnerSchrader und Muehlhan.
Will BDO auch durch Zukäufe wachsen?
Otte: Wir planen kleinere Gesellschaften unter der Voraussetzung, dass sie zu uns passen, zu übernehmen. Der Konzentrationsprozess wird weitergehen.
Wie reagieren Sie auf den Preisdruck?
Otte: Die Kunden erwarten, dass effizienter geprüft wird. Neue computergestützte Hilfsmittel sind eine Möglichkeit, darauf zu reagieren. Ein Weg, dem weiteren Preisdruck entgegenzuwirken, wäre eine Gebührenordnung wie bei Rechtsanwälten. Dann gäbe es zumindest eine Begrenzung nach unten.
Wirtschaftsprüfer haben kein gutes Image. Wie erklären Sie sich das?
Otte: Es gibt eine Lücke zwischen unserem gesetzlichen Auftrag und den Erwartungen der Öffentlichkeit. Anders gesagt: Die Öffentlichkeit erwartet mehr, als der Abschlussprüfer leisten kann. Der Ruf des Wirtschaftsprüfers ist aber nicht nur durch diese Erwartungslücke in Mitleidenschaft gezogen worden. So hat es unter anderem auch kriminelle Handlungen gegeben, die vom Prüfer nicht erkannt worden sind. Nachdem auch im Zuge der Finanzmarktkrise Risiken nicht aufgedeckt wurden, hat nun die EU-Kommission die Frage aufgeworfen, ob die Verfahren neu ausgerichtet werden müssen.
Sie meinen das Diskussionspapier des EU-Binnenmarktkommissars Michel Barnier, das in der Branche weitgehend auf Ablehnung gestoßen ist?
Otte: Anders als manche Wettbewerber blocken wir nicht ab, sondern meinen, dass Barniers Vorschläge zu einer fruchtbaren Diskussion führen. Ein wesentlicher Punkt in diesem Papier besagt, dass stärker als bislang die Beurteilung von Zukunftsrisiken Bestandteil der Prüfung sein soll. Diese Bewertung ist in Deutschland schon seit einigen Jahren Bestandteil der Jahresabschlussprüfung, da sind wir weiter als andere europäische Länder.
Besonders mit der Idee, den Prüfungsgesellschaften ihr lukratives Beratungsgeschäft zu verbieten, hat Barnier für Aufregung gesorgt. Wie stehen Sie dazu?
Otte: Dahinter steht die Überlegung, dass Interessenkonflikte durch Beratungsmandate, die dem Abschlussprüfer erteilt werden, nicht ausgeschlossen werden können. Den Prüfungsauftrag erhält der Abschlussprüfer vom Aufsichtsrat, den Beratungsauftrag aber vom Vorstand, dessen Arbeit geprüft werden soll. Häufig wird die Prüfung eher preiswert angeboten, da die erforderliche Gewinnspanne über Beratungsleistungen verdient wird. Es ist durchaus verständlich, wenn die EU die überproportionale Ausdehnung des Beratungsgeschäfts kritisch hinterfragt. Man sollte über den zulässigen Katalog der Leistungen und über das zulässige Honorarvolumen im Verhältnis zum Honorar für die Abschlussprüfung nachdenken. Wenn ich eine stärkere Trennung von Prüfung und Beratung befürworte, bezieht sich das vor allem auf kapitalmarktorientierte Gesellschaften. Unsere mittelständischen Kunden erwarten, dass sie ein umfassendes Spektrum von Leistungen von uns erhalten können.
Wie wichtig ist die Beratung für BDO?
Otte: Bei uns macht die Wirtschaftsprüfung rund 50 Prozent aus, 20 Prozent entfallen auf prüfungsnahe Beratungsleistungen wie Unternehmensbewertung, IT-Beratung und Untersuchungen im Zusammenhang mit Wirtschaftskriminalität. Die übrigen 30 Prozent kommen aus der Steuerberatung.
Wie entwickelt sich BDO in diesem Jahr?
Otte: Wir haben 2010 einen Umsatz von über 180 Millionen Euro erzielt; für 2011 erwarten wir eine spürbare Geschäftsbelebung. Denn durch den Wirtschaftsaufschwung wird es wieder mehr Firmenübernahmen und Fusionen geben und damit mehr Aufträge für Unternehmensbewertungen. Außerdem wird die Untersuchung von Korruptionsfällen mehr und mehr auf Wirtschaftsprüfer übertragen.
Wird der Aufschwung auch zu neuen Arbeitsplätzen bei BDO führen?
Otte: Nachdem im letzten Jahr die Zahl der Beschäftigten um rund 100 Personen zurückging, planen wir in diesem Jahr, 100 bis 130 neue Mitarbeiter einzustellen - auch am Hauptsitz in Hamburg. Hier suchen wir insgesamt rund 20 neue qualifizierte Mitarbeiter für unsere Unternehmensbereiche Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Advisory Services. Wir beschäftigen derzeit annähernd 1800 Mitarbeiter in Deutschland, davon 380 in Hamburg.
Fürchten Sie Nachwuchsmangel?
Otte: Der Markt wird auch durch das schwierige Image unserer Branche nicht einfacher werden. Gleichwohl sind wir der Ansicht, attraktiv für Hochschulabsolventen zu sein, da in einem Unternehmen unserer Größe neue Mitarbeiter früher an verantwortungsvolle Aufgaben herangeführt werden als in den marktführenden Prüfungskonzernen. Das ist für unser Haus ein Rekrutierungsvorteil.