Die Wirtschaftsförderung zieht Bilanz. 85 neue Firmen zogen neu in die Hansestadt. Die grüne Technologie ist der Zukunftsmarkt.

Hamburg. Heiko Hubertz hat sich in vielen europäischen Städten umgeschaut. Verkehrsanbindungen geprüft, Mieten detailliert durchgerechnet und genau darauf geachtet, wie attraktiv die verschiedenen Metropolen für künftige Mitarbeiter sind. Seine Wahl fiel dann auf Hamburg. Die Stadt, in der Hubertz vor neun Jahren mit zehn Mitarbeitern erstmals Computerspiele entwickelte. Heute beschäftigt sein Unternehmen Bigpoint 600 Frauen und Männer. Zudem bezieht er demnächst seine neue Europazentrale in der Innenstadt nahe der Oper. "Wir sind froh, dass wir in Hamburg bleiben können, und werden weitere Mitarbeiter einstellen", sagt Hubertz, der inzwischen 70 Prozent seines Unternehmens an einen amerikanischen Finanzinvestor und den Medien- und Unterhaltungskonzern NBS Universal verkauft hat. Bei 800 Beschäftigten sieht Hubertz die Grenze, denn mehr passen in die neue Zentrale, einem grundlegend renovierten Backsteinensemble aus den 1930er-Jahren, gar nicht hinein.

Das Bekenntnis von Bigpoint zu Hamburg dürfte im vergangenen Jahr das wohl imageträchtigste Projekt der Hamburgischen Gesellschaft für Wirtschaftsförderung (HWF) gewesen sein. Eines der wichtigsten war aber der Verbleib der Allianz in der Hansestadt. Denn eigentlich wollte der Versicherungskonzern seine Hamburger Zentrale nach Oststeinbek verlagern. Die HWF erreichte, dass das Unternehmen nun doch an der Alster bleibt. Die 1300 Mitarbeiter werden künftig in der komplett renovierten ehemaligen Esso-Zentrale in der City Nord arbeiten.

Insgesamt hat die HWF im vergangenen Jahr neben der Neuansiedlung von 85 Unternehmen aus aller Welt 29 Firmen in der Stadt beraten, bei Expansionsvorhaben geholfen und so insgesamt 1527 Arbeitsplätze geschaffen. 719 davon resultieren aus den Neuansiedlungen. "Mit unseren Maßnahmen waren Investitionen in Höhe von insgesamt 347,5 Millionen Euro verbunden", sagte HWF-Geschäftsführer Uwe Jens Neumann und betonte, dass mit Unterstützung der städtischen Organisation zudem etwa 4700 Arbeitsplätze bereits in Hamburg ansässigen Firmen abgesichert werden konnten. Weitere 265 Unternehmen konnten zudem von der Mittelstandslotsin der HWF unterstützt werden.

"Die Stadt Hamburg hat immer wieder neue Wirtschaftsentwicklungen initiiert und gefördert. Mitte der 90er-Jahre wurde die Digitalisierung der Wirtschaft vorangetrieben, seit 2000 der erfolgreiche Ausbau des Luftfahrtstandorts und ab 2006 die Weiterentwicklung des Hafenstandorts zur Logistikmetropole", sagte Wirtschaftssenator Ian K. Karan (parteilos). "Immer hat die HWF eine zentrale Rolle gespielt. Im Bereich der erneuerbaren Energien und der Spieleindustrie ist dies der HWF jetzt erneut hervorragend gelungen", so der Senator. Auch Hubertz begründete seine Standortentscheidung mit Hamburgs weltweit gutem Ruf als der "Gamecity".

Nicht nur der Allianz konnte die HWF zu neuen Geschäftsräumen verhelfen, auch die Bahn zieht mit rund 1000 Beschäftigten in eine neue Zentrale in der City-Süd. Und der Schiffbauzulieferer Rolls-Royce Marine hat mit dem Bau neuer, größerer Büro- und Serviceflächen am Reiherstieg begonnen. Das Unternehmen will die Zahl seiner Mitarbeiter in Hamburg mittelfristig von 20 auf 60 bis 70 erhöhen, so Neumann. Im gleichen Haus arbeite zudem eine Tochterfirma mit 16 Beschäftigten.

Für Neuansiedlungen braucht es Gewerbeflächen. Doch die sind in Hamburg mit derzeit 160 Hektar Vorratsfläche schwierig. "Büros können wir sofort vermitteln", sagte Neumann. Karan sprach sich unterdessen dafür aus, den Konflikt in Hamburg zwischen Wohnungsbau und Industrieflächen, nicht auf die Spitze zu treiben. "Natürlich braucht die Stadt jedes Jahr 6000 neue Wohnungen. Aber die Menschen brauchen auch Arbeit", sagte er.

Neue Flächen gefunden hat im vergangenen Jahr zum Beispiel die Europazentrale des US-Windkraftzulieferers Broadwind Energy oder auch der amerikanische Konzern General Electric, der ein neues Technologiezentrum für Offshore-Anlagen errichtet. Weitere Firmen aus der Windbranche werden folgen. Und HWF-Geschäftsführer Neumann ist sich sicher: "Wir führen zurzeit viele Erfolg versprechende Gespräche mit internationalen Unternehmen und erhoffen uns durch die Gründung des Branchennetzwerks Erneuerbare Energien für Hamburg einen zusätzlichen Schub."

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