Am Berliner Tor soll sich ab Ende 2011 alles um die Grimm-Märchen drehen. Im Mai beginnen die Umbauarbeiten für die Ausstellung.

Hamburg. Bisher ging es in der Straße Beim Strohhause um Software, Mikrochips oder Rechenzentren. Jetzt kommen Rotkäppchen, Schneewittchen und Dornröschen hinzu. Vergangenheit trifft Zukunft: Im Erdgeschoss des IBM-Gebäudes am Berliner Tor soll Hamburgs erste interaktive Märchen-Ausstellung entstehen. "Wunderwelten - Das Vermächtnis der Brüder Grimm" wird hier Ende 2011 eröffnen.

Die Idee des Projekts stammt von Frank Mehlin. Der Hamburger hat bereits an der Tutanchamun-Ausstellung mitgewirkt. Seit 2008 arbeitet er an der Verwirklichung seines Traums, einer neuen Dauerausstellung für die Hansestadt. "Wir wollen mit diesem Projekt den Menschen die Märchen der Brüder Grimm, aber vor allem auch die Werte und Lehren, die dahinterstehen, nahebringen", sagt Mehlin. Und das nicht in Form eines klassischen Museums, sondern "mit Infotainment und Edutainment". Deshalb vermeide er auch den klassischen Begriff Museum für sein Märchenprojekt.

Das erwartet den Besucher: Die Märchenausstellung wird aus fünf Räumen bestehen, zwei sogenannten Wissensräumen, drei Aktionsräumen. Die Besucher sollen in Gruppen von 40 Menschen durch die ersten Räume geführt werden, danach können sie sich ohne Führung weiter umsehen und informieren. Alle 15 Minuten startet eine neue Gruppe.

"Der erste Raum ist der historische Raum, der Brüder-Grimm-Raum", sagt Mehlin. Hier möchte er rund 300 Exponate aus der Zeit von Jacob (1785-1863) und Wilhelm Grimm (1786-1859) ausstellen, "die uns wohl die Brüder-Grimm-Gesellschaft und das Brüder-Grimm-Museum zur Verfügung stellen". Darunter Erstdrucke der Märchen, Bilder, Möbel oder Büsten. Der zweite Wissensraum, der Märchenraum, ist aufgebaut wie ein Marktplatz des 19. Jahrhunderts, auf dem die Geschichten erzählt wurden. Hier sollen den Besuchern Hintergründe zu Märchen vermittelt werden.

In den drei Aktionsräumen stehen elf der bekanntesten Märchen der Brüder Grimm im Mittelpunkt. Im Raum der Erfahrung sollen die Besucher "irritiert und aufgerüttelt werden", sagt Mehlin. Hier erwarten sie Wasserspiele, Illusionskulissen oder Lichtspiele, bei denen sie selbst mitmachen können. So rauscht beispielsweise an einer Wand ein Wasserfall herunter, in dem aus Wasser Worte geformt werden. Thema dieses Raumes: der tiefere Sinn, den die Märchen vermitteln sollen.

Der Raum der Lehre besteht aus einem großen 3-D-Kino. Jedes Märchen wird hier kurz präsentiert, mit den dazu gehörenden Elementen. So vibriert der Boden, es wabern verschiedenen Gerüche durch den Raum, Geräusche, Wind oder gar die Feuchte des Meeres. "Die Märchen kommen dabei wie aus dem Nichts auf die Besucher zugeflogen", sagt Mehlin. Im Raum der Belohnung/Bestrafung haben die Besucher schließlich die Wahl. In großen Märchenkulissen wird hier gespielt, bestraft, belohnt.

"Wir wollen sehen, was die Besucher aus den anderen Räumen gelernt haben", so Mehlin. Wenn sie beispielsweise zwischen zwei Türen wählen können, durch den Irrgarten laufen oder vor Falltüren stehen. In einem großen Dreh-Theater wird zudem das Märchen "Der Teufel mit den drei goldenen Haaren" gezeigt. Mit Bildern, Puppen, Licht-, Video und Diaprojektionen.

Zum Ende des Rundgangs werden die Besucher dann durch einen langen Gang laufen "und so langsam in die Wirklichkeit zurückgeholt".

Die neue Ausstellung soll ab Weihnachten dieses Jahres auf 2600 Quadratmetern in dem großen Gebäude am Berliner Tor beheimatet sein. Bereits am 1. Mai werden die Umbauarbeiten hier beginnen. "Wir sind aber nach wie vor auch offen für Räumlichkeiten in der Speicherstadt oder der HafenCity. Das hätte vielleicht noch etwas mehr Charme für unser Märchenthema", sagt Mehlin. "Erst einmal laufen jetzt aber die gesamten Planungen mit den Räumen am Berliner Tor."

Auch die Finanzierung des Projekts steht kurz vor dem Abschluss. Knapp vier Millionen Euro wird die Dauerausstellung, die mindestens fünf Jahre in Hamburg bleiben soll, kosten. Die Hälfte des Geldes hat Mehlin eingeworben. "Um die andere Hälfte verhandeln wir noch. Die Gespräche stehen aber kurz vor einem erfolgreichen Ende. Doch natürlich suchen wir nach wie vor Investoren oder Firmen, die sich an dem Märchenprojekt beteiligen wollen."

Im Bezirk Mitte ist man begeistert von den Plänen für die neue Ausstellung: "Das ist ein tolles, ein märchenhaftes Projekt", sagt Bezirksamtsleiter Markus Schreiber. "Eigentlich muss jetzt nur noch eine Nutzungsgenehmigung erteilt werden, damit es losgehen kann. Und das sollte nach unserer bisherigen Einschätzung kein Problem sein." Auch Bernhard Lauer, Geschäftsführer der Brüder-Grimm-Gesellschaft und Leiter des Brüder-Grimm-Museums in Essen, unterstützt die Pläne von Mehlin: "Wir finden das Projekt spannend", sagt er dem Abendblatt. "Denn hier wird versucht, das Thema Märchen im dreidimensionalen Raum umzusetzen und alle Sinne der Besucher anzusprechen." Zudem würden die Pläne gut zum Grimm-Jubiläumsjahr 2012 passen. Dem Jahr, in dem vor 200 Jahren das erste Buch der Brüder erschien.

Mehlin und sein Team haben die Ausstellung für Besucher aller Altersklassen geplant. "Hier werden Kindergartengruppen genauso willkommen sein wie Rentner", sagt er. Verschiedene Audioguides für Kinder, Erwachsene und historisch Interessierte würden die Ausstellung für alle unterschiedlich erlebbar machen. "Ich bin mir sicher, hier findet jeder etwas für sich."

www.wunderwelten-hamburg.de