Hamburger Abendblatt:

Die Linke fordert mehr staatliche Ausgaben in vielen Bereichen. Wie wollen Sie das finanzieren?

Dora Heyenn:

In den letzten 15 Jahren ist durch die Senkung der Unternehmenssteuer, durch Senkung der Erbschaftssteuer, durch Wegfall der Vermögenssteuer so viel öffentliches Geld verloren gegangen. Ver.di hat ausgerechnet, dass jedes Jahr in den öffentlichen Haushalten 75 Milliarden Euro fehlen. Es geht jetzt immer auf Kosten der Menschen, die in dieser Stadt arbeiten, immer auf Kosten von sozialen Leistungen und von Dienstleistungen an den Bürgern. Und wenn wir nicht die Kurve zu mehr Steuergerechtigkeit kriegen, dann werden wir irgendwann politikunfähig. Alle müssen sich an den öffentlichen Aufgaben gemäß ihren finanziellen Möglichkeiten beteiligen.

Anja Hajduk:

Ich würde nur gerne einen Punkt dazu sagen. Wenn Sie sagen, zur Gegenfinanzierung bräuchte man eine bundesgesetzliche Änderung für Einnahmeerhöhungen in Hamburg ...

Heyenn:

Nicht nur, wir brauchen auch mindestens 150 Steuerprüfer. Das sind 170 Millionen Euro Mehreinnahmen pro Jahr, die brauchen wir dringend.

Hajduk:

Ich wollte aber noch mal auf Ihr Argument eingehen. Das ist eine ziemlich gute Begründung dafür gewesen, dass man zum Beispiel die Abschaffung der Studiengebühren erst schrittweise schafft. Eine Gegenfinanzierung über Einnahmeerhöhung durch Steuerprüfer oder durch bundesgesetzliche Regelungen wird Zeit brauchen. Hier liegt wohl auch der größte Unterschied zur FDP. Im FDP-Programm steht, dass die Gewerbesteuer abgeschafft werden soll.

Heyenn:

Abschaffen, ich fasse es nicht ...

Hajduk:

Es steht weiterhin drin, den Gewerbesteuersatz unmittelbar zu reduzieren, was ja eine Hamburger Regierung sofort machen könnte. Und das ist mit Blick auf den Haushalt unseriös, zumal Sie, Frau Suding, ja auch die eine oder andere Ausgabensteigerung im Programm haben.

Katja Suding:

Es ist ganz einfach: Die Unternehmen kommen ja nicht nach Hamburg, um hier Gewerbesteuer zu zahlen. Die Hebesätze sind im Umland niedriger, und da haben wir nun mal einen Wettbewerbsnachteil. Wir wollen sie im Übrigen nicht abschaffen, sondern wir denken da auch auf Bundesebene über eine komplette Reform und über eine Kommunalsteuer nach.

Hajduk:

Es ist wichtiger, die Neuverschuldung abzubauen. Da wird man auch nicht um Ausgabeneinschnitte herumkommen. Aber die Einnahmen muss man erst stabilisieren und durch die eine oder andere bundesgesetzliche Regelung zur Heranziehung sehr hoher Vermögen verbessern.

Suding:

Aber entscheidend ist, dass die Unternehmen hierbleiben, dass sich Unternehmen hier ansiedeln, denn nur dann zahlen sie auch überhaupt hier Steuern und nicht im Umland. Nur dann haben wir auch hier Arbeitsplätze.

Was halten Sie von Personalabbau im öffentlichen Dienst, den zum Beispiel Frau Suding vorschlägt?

Heyenn:

Davon halten wir überhaupt nichts. Ob in der Justiz, in der Schule oder im Sozialwesen - ich sehe nirgends die Möglichkeit, Personal abzubauen. Es gibt eine große Arbeitsverdichtung im öffentlichen Dienst.

Hajduk:

Bis 2019/20 müssen wir die Schuldenbremse einhalten, also die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben schließen. Deswegen müssen wir auch die öffentliche Verwaltung auf den Prüfstand stellen. Ich halte aber nichts davon, wie die FDP zu sagen, wir streichen jede zweite Stelle. Ich höre häufig die Forderung, dass im Bereich Wohnungsbau schneller genehmigt werden muss. Da geht es um Bürgernähe. Wir müssen in erster Linie überprüfen, wo es Doppelarbeit zwischen Fachbehörden und Bezirken gibt.

Suding:

Richtig, es geht darum, Doppel- und Dreifachzuständigkeiten in den Behörden abzubauen. Ausgenommen sind die Bereiche Polizei, Feuerwehr, Schule, Justiz, allgemeine soziale Dienste und Bezirksverwaltungen.