Hamburg gilt als Welthauptstadt der Branche. Seit der Finanzkrise werden die Ziele bescheidener. China wächst als Rivale heran.

Hamburg. Äußerlich wirkt alles wie früher. In ihren Kontoren in der Innenstadt sitzen die Kapitalsammler vor kostbaren Ölbildern und Schiffsmodellen. Seit Jahren gilt Hamburg als Weltmetropole der Schiffsfinanzierung. Nirgendwo sonst wurde so viel Wissen von Banken, Emissionshäusern und Reedereien zu einem Netzwerk verflochten wie in der Hansestadt. Nach der Weltwirtschaftskrise aber ist alles anders. "Wir werden eine radikale Diskussion über die Neufinanzierung von Schiffen haben", sagte Torsten Teichert, Vorstandsvorsitzender des Emissionshauses Lloyd Fonds, dem Abendblatt. "Unser Geschäft mit Schiffsfinanzierungen wird weiterlaufen, aber anders als in der Vergangenheit."

Kernstück der deutschen Dominanz in der Finanzierung vor allem von Containerfrachtern war stets das KG-Modell. Ein Emissionshaus sammelt bei Anlegern in geschlossenen Fonds Kapital für den Neubau eines Schiffes. Dieses Geld dient als Eigenkapital, das meist etwa 30 Prozent zur Finanzierung eines Frachters beitrug. Die übrigen 70 Prozent, das Fremdkapital, steuerten die Banken als Kredite bei. Das Schiff wird dann als Kommanditgesellschaft - als KG - betrieben. Mehr als 30 Milliarden Euro Eigenkapital investierten Anleger seit Beginn der 90er-Jahre in Schiffsfonds. Der dramatisch wachsende Welthandel, der Bedarf an neuen Schiffen, ließ das KG-Modell stets als wasserdichte Anlage erscheinen.

Seit der Weltwirtschaftskrise allerdings nicht mehr. Anleger von Schiffsfonds mussten Hunderte Millionen Euro Kapital nachschießen, damit die bereits angezahlten Bestellungen neuer Schiffe nicht platzten oder schon in Fahrt befindliche Frachter die wirtschaftliche Flaute überstehen konnten. Nach den Zahlen des Verbandes Geschlossene Fonds investierten Anleger im Jahr 2010 rund 996 Millionen Euro in Schiffsbeteiligungen, gegenüber 743 Millionen Euro im Jahr 2009. Allerdings entfielen im vergangenen Jahr 286 Millionen Euro auf nachgeschossenes Kapital, um Fonds und Schiffe durch die Krise zu hieven. Und auch 2011 gilt mit Blick auf viele vor allem kleinere KG-Schiffsgesellschaften noch als kritisches Jahr. "Es wird in diesem Jahr kaum Schiffsfonds mit aktuellen Neubestellungen geben", sagte Teichert. "Vor allem teure Schiffe kann man am Markt nicht platzieren, dafür sind die Anleger viel zu kritisch."

Erschwerend für die jahrelang so lukrative Geldvermehrung auf den Meeren kommt hinzu, dass die Banken ihr Geschäft mit Schiffsbeteiligungen radikal neu bewerten. Das jüngste internationale Abkommen zu den Eigenkapitalregeln für Banken, "Basel III" genannt, zwingt die Finanzinstitute zu strengeren Anforderungen bei der Kreditvergabe. Zudem sind vielen Bankmanagern die starken zyklischen Bewegungen des Schiffsmarkts nach den Erfahrungen der Weltwirtschaftskrise suspekt. Die HSH Nordbank, Weltmarktführer bei Schiffsfinanzierungen, will ihr Kreditportfolio in dieser Sparte von 30 Milliarden Euro um rund ein Drittel reduzieren, auch andere Institute wie die Deutsche Schiffsbank sind bei der Vergabe von Schiffskrediten deutlich zurückhaltender als vor der Krise. "Früher hat man ein Schiff bereits in Auftrag gegeben, bevor überhaupt die Sammlung des Eigenkapitals begann. Nun müssen die Fondshäuser von vornherein erheblich mehr Eigenmittel auf den Tisch legen", sagte Dirk Baldeweg dem Abendblatt, der Chef des Hamburger Finanzierungshauses Buss Capital.

Profitieren könnte davon vor allem China. Das Land hat sich an die Spitze des Schiffbaus emporgearbeitet - kein Land lässt mittlerweile mehr Tonnage zu Wasser. Zugleich besitzt China die größten Währungsreserven der Welt. Was noch fehlt, ist verfeinertes Know-how bei der Finanzierung. Das kaufen sich die Chinesen womöglich hinzu. Im Dezember gewährte die China Development Bank der HSH Nordbank 500 Millionen Dollar Kredit, um der lädierten Landesbank von Hamburg und Schleswig-Holstein bei der Sanierung behilflich zu sein. Eine weitergehende Kooperation wurde vereinbart.

Der noch amtierende Wirtschaftssenator Ian Karan (parteilos), als früherer Containerunternehmer ein erfahrener Finanzierungsfachmann, begrüßte das Engagement der Chinesen für die HSH Nordbank - und warnt vor den Risiken: "Die Chinesen wären in der Lage, Schiffe komplett zu finanzieren", sagte er dem Abendblatt. "Sie müssten dafür unser Modell nicht kopieren. Sie könnten sich ihr eigenes schaffen."