In der Alsterdorfer Martin-Luther-Kirche gibt es seit zehn Jahren Familien-Gottesdienste in der Gebärdensprache

Alsterdorf. Ein dumpfes Summen und Rascheln erfüllt die Kirche. Keine Orgel spielt. Pastorin Systa Ehm hebt ihre Hände und gebärdet ,singend' das erste Kirchenlied. Freudig stimmen die Familien mit ein: "Ein-neuer-Tag-ist-da-Hurra." Statt eines trällernden "Hurra" werden die Arme in die Höhe geworfen. Die Stimme in der Gebärdensprache sind die Hände.

Seit zehn Jahren gibt es in der Martin-Luther-Kirche in Hamburg-Alsterdorf Gottesdienste für Familien in Gebärdensprache. Der Zugang zu den Kirchenbänken ist beim Jubiläumsgottesdienst nur über labyrinthartige Umwege zu erreichen. Absperrbänder sind gespannt - ein Symbol für die Umwege, die Gehörlose oft gehen müssen.

Viermal jährlich gestaltet ein Team gehörloser Mütter zusammen mit Gehörlosenseelsorgerin Ehm den Familiengottesdienst. Rund 2000 Gehörlose leben in der Hansestadt. Das Angebot für Gottesdienste in Gebärdensprache nutzen Familien aus ganz Hamburg und dem nördlichen Niedersachsen.

Gottesdienste in Gebärdensprache gibt es schon seit rund 90 Jahren. Seit Anfang der 1920er-Jahre hat sich der Gebärdensprachgottesdienst immer weiterentwickelt. Damals wurde mehr mit der Stimme gesprochen.

Die Entwicklung und Erforschung der Gebärdensprache ist vor allem in der Hansestadt stark verankert. Die Universität Hamburg gründete das erste Institut für "Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser", an dem Studenten zu Gebärdendolmetschern ausgebildet werden. "Das hat dazu beigetragen, dass die Gebärdensprache als eigene Sprache vor zehn Jahren anerkannt wurde. Deswegen ist Hamburg für Gehörlose eine gute Stadt zum Leben. Sie bekommen hier Dolmetscher, die ihnen im Beruf zur Seite stehen", sagt Pastorin Ehm.

Heutzutage sehen Jugendliche die Gebärdensprache als ihre Muttersprache an. Auch die 14-jährige Anika Nibler ist gehörlos und kommt mit ihrer Mutter seit vielen Jahren zu den Familiengottesdiensten in die Martin-Luther-Kirche: "Es ist immer schön, in der Gruppe zu gebärden, und danach gibt es ein Frühstück und wir basteln. Das macht sehr viel Spaß."