Abendblatt-Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher schreibt jede Woche über einen außergewöhnlichen Fall.

Sie scheinen gleichsam zur Dienstuniform der jungen Frau zu gehören wie das dezente Kostüm und das Halstuch: dieser souveräne Gesichtsausdruck, das dezente Lächeln, die gelassene Höflichkeit. Man kann sich gut vorstellen, wie Svetlana S. auf Notausgänge hinweist und Getränke serviert, zurückhaltend und freundlich. Die 31-Jährige ist Flugbegleiterin und strahlt auch jetzt eine Professionalität aus, als sei sie gerade auf einem Routineflug. Nichts Besonderes also.

Doch von luftigen Höhen und Sicherheit spendender Erfahrung kann hier keine Rede sein. Eher von einem Absturz, von unangenehmem Umfeld und Unbehagen. Svetlana S. muss sich als Angeklagte vor dem Amtsgericht verantworten.

Es ist ein Fall, den der Richter nach Abschluss der Beweisaufnahme "seltsam" nennen wird und für den die Staatsanwältin das Etikett "rätselhaft" findet. Denn Svetlana S., der die Staatsanwaltschaft den Diebstahl eines Fernsehers vorwirft, ist eine Frau, die so gar nicht in die Kategorie "Täterin" zu passen scheint.

Ihre Vita weist nicht die Spur einer Fehlleistung auf, und man neigt dazu, ihrer ruhig, aber mit einem Anflug von Empörung vorgetragenen Version der Geschichte Glauben zu schenken.

Nein, wehrt die dunkelhaarige, aparte Frau entschieden ab. Mit der Tat vom 21. Mai vergangenen Jahres, als aus der Wohnung ihrer ehemaligen Nachbarin in Fuhlsbüttel ein 43-Zoll-Flachbild-Fernseher gestohlen wurde, habe sie nichts zu tun. "Ich bin Flugbegleiterin, für mich ist mein Job mein A und O. Ich habe keine Zeit für so was", verkündet Svetlana S. mit Bestimmtheit vor dem Amtsrichter.

Insbesondere an diesem Tag habe sie zur fraglichen Zeit anderes zu tun gehabt, da seien Einkäufe in einem Drogeriemarkt und in einem Lebensmittelgeschäft gewesen, "und vorher war ich bei der Bank" - alles Unternehmungen, die sich kilometerweit vom Tatort entfernt abgespielt haben sollen. Den Besuch im Lebensmittelladen kann sie auch mit einem Kassenbon nachweisen, für die anderen Angaben fehlen allerdings Belege. "Warum sollte ich so was tun?", setzt Svetlana S. nach. "Wenn ich angeblich da war, warum hält mich keiner auf?"

Doch die Zeugen bleiben unbeirrt. "Der Fernseher war weg, er war riesengroß", erzählt Katharina S., die das gute Stück vermisst. "Ich frage mich, wie jemand den herausgeschleppt haben soll." Doch dann habe ein Bekannter ihr erzählt, dass er Svetlana S. - die ehemalige gemeinsame Nachbarin - beobachtet habe. "Er sagte, es war die Stewardess." Es sei möglich, dass der Dieb durch die Terrassentür gekommen sei. "Die war nicht verschlossen, weil ich den Schlüssel verloren hatte"; das habe die Angeklagte auch gewusst. Der Fernseher sei gepfändet gewesen, gibt der Amtsrichter zu bedenken, "da war ein Kuckuck drauf". Es sei möglich, überlegt er, dass der gepfändete Fernseher "zur Seite geschafft und ein Sündenbock dafür gesucht wurde". Doch das streitet Katharina S. vehement ab.

Eine andere Zeugin berichtet, sie habe die Angeklagte von ihrem Küchenfenster aus gesehen. "Sie trug den Fernseher in beiden Händen, quasi von oben umschlungen", erzählt sie und imitiert mit einer unbequem wirkenden Armhaltung die Szene.

Ein anderer Zeuge schildert sehr ähnliche Beobachtungen. Zudem, deuten die Nachbarn an, habe Svetlana S. angeblich doch keine ganz reine Weste. Es gebe "Tratsch aus der Nachbarschaft", der besage, dass die Angeklagte Drogen nehme, angeblich Kokain. "Das kann ich mir beruflich gar nicht leisten, wir werden regelmäßig Tests unterzogen", wehrt Svetlana S. entrüstet ab. "Ich will eine Anzeige machen wegen Verleumdung."

Doch auch der letzte Strohhalm, an den die 31-Jährige sich bei ihrer Aussage klammert, hilft ihr nicht wirklich weiter. Der Bankangestellte, bei dem Svetlana S. zur Tatzeit laut eigener Aussage einen Termin hatte, kann dies nicht bestätigen und ihr damit aus der Klemme helfen. Zwar sei es "durchaus möglich", dass die Angeklagte an fraglichem Tag bei ihm gewesen sei. "Wir waren öfter im Gespräch." Aber da er keinen Eintrag im Kalender habe, könne er es auch nicht sicher sagen.

Es bleibt also als Alibi für Svetlana S. nur der Kassenbon vom Lebensmittelgeschäft, anderthalb Stunden nach der Tatzeit. Er habe per Routenplaner geprüft, ob es möglich ist, die Strecke innerhalb des Zeitfensters zurückzulegen, sagt der Amtsrichter. "Und entfernungsmäßig ist das mit dem Auto ein Klacks."

Letztlich sind es jedoch vor allem die Zeugenaussagen, an denen die Staatsanwältin "nicht vorbeikommt". Und die den Ausschlag dafür geben, dass die Anklägerin eine Verurteilung von Svetlana S. beantragt - und der Richter schließlich eine Geldstrafe von 1800 Euro (30 Tagessätze zu je 60 Euro) für Svetlana S. verhängt.

Alle Aussagen seien plastisch und detailreich gewesen, begründet der Richter sein Urteil. "Und warum sich drei Nachbarn auf Sie einschießen sollen, Sie in die Pfanne hauen und hier lügen, erschließt sich mir nicht. Es wären alles Straftaten, vor Gericht die Unwahrheit zu sagen, und das für so eine Lappalie. Das will mir nicht in den Kopf."