Liebe Hamburgerinnen,

liebe Hamburger!

Komisch ist es schon, dass ich mich als Musicaldarsteller verdinge und ausgerechnet in Hamburg, einer der Musical-Hauptstädte, nie gearbeitet habe. In Stuttgart stand ich in "Miss Saigon" auf der Bühne, in Berlin in "Der Schuh des Manitu" - doch in der Hansestadt, wo ich seit 2005 der Liebe wegen lebe, bin ich niemals aufgetreten.

Ich deute das einfach mal so: Hamburg ist weniger eine Stadt zum Arbeiten, mehr eine zum Genießen. Egal, ob architektonisch, kulturell oder was die Natur angeht - Hamburg bietet viel für die Sinne. Das kommt mir als Tongaer sehr entgegen. Denn wir Menschen aus der Südsee sind wohl die Meister des Genusses. Beispiel Essen: Das ist - auch in Ermangelung an alternativem Zeitvertreib - ein großes Thema in meiner Heimat: Backbananen, Kokosmilch und Süßkartoffeln - bei uns gibt's viele Leckereien. Das hat zur Folge, dass die meisten Menschen in Tonga ziemlich dick sind, was gesellschaftlich erwünscht ist: Fettleibigkeit gilt im Südpazifik als Schönheitsideal.

Das ist ein drolliger Unterschied zu Hamburg, der Lifestyle-Metropole, in der sich viele Frauen anscheinend nur dann wohlfühlen, wenn sie als Hungerhaken durchs Leben stöckeln. Eine Gemeinsamkeit haben Hamburg und Tonga aber auch: Die Globalisierung hat sie erreicht. Für Hamburg steht das außer Frage. Aber für Tonga am Ende der Welt stimmt's auch - leider. So trinken dort mittlerweile viele Menschen statt des klassisch-reinen Regenwassers Cola. Und statt die Früchte der Natur zu kosten, stopfen viele meiner Landsleute heute lieber Fastfood in sich hinein.

Auch im Paradies ist also leider nicht mehr alles wunderbar und unberührt. Hoffentlich verschlimmern sich die Bedingungen dort nicht so weit, dass sie später mal als Drama auf die Bühne kommen.

Lasinga Koloamatangi, 50, ist studierter Opernsänger. Aufgezeichnet von Christopher Beschnitt