Elbefluten erregen regelmäßig Aufsehen. Doch auch wenn Hamburgs kleiner Fluss über die Ufer tritt, leiden Anwohner.

Hamburg. Dieses Mal konnten sie zusehen, es dauerte nur wenige Stunden. Das Wasser stieg und stieg, drückte von außen gegen die Mauern, lief über zwei Sickerschächte in den Keller. "Wir haben noch versucht, mit Sandsäcken das Schlimmste zu verhindern. Aber der Boden unseres Untergeschosses ist zerstört", sagt Helmut Mejcher. Mit seiner Frau Marianne Schmidt-Dumont hat er den Wettlauf gegen die Flut mal wieder verloren. Seit 20 Jahren geht das schon so, alle zwei bis drei Jahre wieder. Im Nordosten Hamburgs, an der Herrenhausallee 64 und in der Nachbarschaft zur Ammersbek, einem Zufluss der Alster, ist das Paar leidensfähig geworden.

Im Gegensatz zur ausufernden Elbe, die bei einer Flut bundesweite Beachtung erfährt, ist ein Alsterhochwasser, wie es aktuell besteht, oft kaum mehr als eine Randnotiz. Dabei haben die Niederschläge vom Wochenende, als rund 60 Liter Regen pro Quadratmeter selbst die Hochleistungsdrainage des Stadions am Volkspark vor Probleme stellten, ihre Spuren bei vielen Anwohnern entlang der kleinen Hamburger Gewässer hinterlassen.

"Es sind zwar nicht 65 Schadensfälle wie im Sommer 2002, als ein mächtiges Alsterhochwasser viele Anwohner zu Betroffenen machte. Aber noch heute führt der Fluss Hochwasser", sagt Dieter Ackermann, Experte beim Landesbetrieb für Straßen, Brücken und Gewässer. Während das derzeitige Hochwasser an der citynahen Außenalster kaum spürbar ist - der Pegel variiert lediglich um 20 bis 30 Zentimeter - stand das Wasser in Poppenbüttel zeitweise 2,5 Meter über normalem Stand. Die Feuerwehr fuhr Dauereinsätze.

Das Überschwemmungsphänomen an Alster, Bille, Wandse oder Ammersbek wird aktuell von der Leuphana Universität Lüneburg im Rahmen des Projekts "Diane-CM" untersucht. Vorrangig geht es um länder- und behördenübergreifende Maßnahmen im Hochwasserfall, denn bislang, so Dieter Ackermann, der von anderen ehrfurchtsvoll als "Wasserpapst" bezeichnet wird, kann es an der jeweiligen Landesgrenze zu Problemen kommen. "Hamburg pumpt bisweilen Richtung Schleswig-Holstein und umgekehrt." Zudem sollen die bisherigen Hochwasserschutzanlagen oder auch der Objektschutz am vermeintlich zahmen Alsterlauf optimiert werden.

250 Rückhaltebecken, fünf Überschwemmungsgebiete und etliche Stauwehre in ganz Hamburg regulieren schon heute die Wassermassen der Stadt, was nach Meinung von Dieter Ackermann ein ausreichender Schutz ist. Aber wie in jeder Großstadt gebe es auch viel versiegelte, überbaute Fläche, auf der Regen nicht einfach versickern könne. "Mit der Hamburger Bauverordnung und Bebauungsverboten in Überschwemmungsgebieten ist die Stadt auf einem guten Weg. Dennoch können Vorfälle wie jüngst nicht vermieden werden." Der Sachsenwald oder der Duvenstedter Brook seien in dieser Hinsicht recht gute "Schwämme", würden viel Wasser aufnehmen, doch wenn es wie am Wochenende ununterbrochen schüttet, geraten auch diese Flächen an ihre Kapazitätsgrenze. "Der Boden ist gesättigt und voll gesogen, dann gibt er das Wasser direkt an die Flüsse ab."

Wenn dann noch - wie am Wochenende - ein Wehr klemmt, wird es für Anwohner wie Helmut Mejcher richtig bitter. "Das Problem ist, dass wir zwar drei Wehre in unmittelbarer Umgebung haben, aber wenn eines davon verrottet, bringen die anderen beiden auch nicht viel." Ein Punkt, in dem er Zustimmung vom Wasserpapst Ackermann erhält: "Ich sehe Verbesserungsbedarf bei der Steuerung einiger Schleusen. Optimal wäre es, wenn wir Wohldorfer, Mellingburger und Poppenbüttler Schleuse koppeln und automatisiert aufeinander abstimmen. Dadurch könnten wir die Hochwasserspitzen kappen." Begonnen werde gerade mit zwei Wehren am Ammersbeker Mühlenteich und der Kupfermühle, was Linderung für Anwohner wie Helmut Mejcher verspräche.

"Die Herrenhausallee war wegen Überflutung gesperrt, der Weg zum Waldfriedhof stand unter Wasser, und eine Böschung ist abgesackt, wobei Gasleitungen zum Vorschein kamen", erzählt der 73-Jährige. Neben dem vergammelten Wehr seien die konkurrierenden Themen Natur- und Hochwasserschutz die Krux. "Ich möchte hier gar keinen Konflikt schüren. Im Gegenteil, ich bin Teilnehmer des Forschungsprojekts Diane und an einer konstruktiven Lösung interessiert. Aber die Gewässer dürfen nicht nur sich selbst überlassen werden." Mejcher rechne an seinem Haus mit weit mehr als 2000 Euro Schaden.

Dieter Ackermann weiß um die Sorgen, bleibt aber der Meinung, dass Flussläufen von vornherein genügend Platz eingeräumt werden sollte. "Zäune oder Gebäude müssen nicht bis ans Ufer heranrücken. Das hilft dem Gewässer, der Natur und den Anwohnern." Glücklicherweise ist das an den Wiesen der Außenalster, die momentan wassergetränkt und teichartig erscheinen, auch nicht geschehen. Einige Häuser hätten feuchte Keller. Vor Jahren wurde an einigen Stellen sogar eine Drainage gelegt. Warum das Wasser dennoch steht? Eine mögliche Erklärung wäre, dass es kaum Gefälle gibt und auch eine Drainage nur begrenzt aufnahmefähig ist.

Der HSV und der FC St. Pauli können ein Lied davon singen.