Parteiführung tendiert zu Rot-Grün, andere Genossen bevorzugen Koalition mit der FDP

Hamburg. Pünktlich zur heißen Phase des Wahlkampfs sorgt Altbürgermeister Henning Voscherau (SPD) mit seinem Plädoyer für ein sozialliberales Bündnis für Aufregung. Dabei hatte Spitzenkandidat Olaf Scholz, der eine geschlossene Partei hinter sich wissen will, die Genossen bereits erfolgreich auf Rot-Grün eingeschworen - sollte es für die SPD nicht gar zu einer Alleinregierung reichen.

Nun kommt Unruhe auf, zumal sich der Parteinachwuchs offenbar durchaus für Voscheraus Idee begeistern kann. Und es gibt weitere Genossen, die eine Koalition mit der GAL kritisch sehen. Im SPD-Kreisverband Eimsbüttel soll ein Thesenpapier "Für eine liberale Sozialdemokratie" kursieren.

Zudem wirft der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Thomas Böwer GAL-Frontfrau Anja Hajduk im "Focus" vor, sie habe als Umweltsenatorin "haushaltspolitisch versagt".

Doch insgesamt schwört sich das Führungspersonal der Sozialdemokraten auf die Linie seines Spitzenkandidaten ein. Fraktionschef Michael Neumann: "Wir wollen eine möglichst starke SPD, auch um unsere Ziele in Berlin zu verfolgen. Beim wichtigen Thema Mindestlohn wäre eine rot-grüne Koalition dafür eine wichtige Grundlage, eine Zusammenarbeit mit der FDP aber gewiss nicht."

Markus Schreiber, Bezirksamtschef von Mitte mit rot-grüner Mehrheit, hält Voscheraus Gedankenspiel für verfrüht. "Ich würde nicht darauf wetten, dass die FDP überhaupt in die Bürgerschaft kommt." Amtskollege Wolfgang Kopitzsch (SPD), Bezirksamtsleiter Nord, findet: "Es gibt ganz klare Aussagen unseres Spitzenkandidaten Olaf Scholz, wer der favorisierte Koalitionspartner der SPD ist. Darüber hinaus kann natürlich jeder seine persönliche Meinung äußern, wie es Henning Voscherau jetzt getan hat."

Dessen Vorstoß kommt bei den Liberalen erwartungsgemäß gut an. Frank-Michael Wiegand, früherer FDP-Fraktionschef in mehreren sozialliberalen Koalitionen, sagte: "Ich sehe in der Erneuerung einer solchen Zusammenarbeit große Chancen zum Wohle der Stadt." Uwe Dulias, FDP-Direktkandidat im Wahlkreis 7, wandte sich gar in einem offenen Brief an Henning Voscherau: "Ihren Vorstoß für Rot-Gelb unterstütze ich mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln."

Olaf Scholz diskutierte gestern lieber andere Themen. Literaturnobelpreisträger Günter Grass, 83, ("Die Blechtrommel") rührte im Ernst-Deutsch-Theater die Werbetrommel für die SPD und ließ sich von Scholz ("Beeindruckend, hier mit jemandem zu sitzen, den man schon im Schulunterricht kennengelernt hat") befragen. Dabei ging es um Kulturpolitik. Grass: "Mir bricht der Schweiß aus, wenn ich an die Elbphilharmonie und deren Folgekosten denke."