Und jetzt Ägypten. Was uns die Weltgeschichte über das Ende von Revolutionen lehrt. Ein Blick zurück im Zorn

Revolutionen gelten in der Historie als Purgatorien: reinigende Fegefeuer der Weltgeschichte. Sie sprengen altes, erstarrtes Unrecht in einer gewaltigen Explosion aus Blut und Pulverdampf hinweg, sie brechen verkrustete soziale Strukturen auf, sie schaffen, wenn auch blutig, Bahn für das Neue: "Durch Nacht zum Licht", oder wie es Marx und Engels im "Kommunistischen Manifest" für die Entrechteten, Enterbten und Unterdrückten als Schicht und Klasse formuliert haben: "Ihr habt nichts zu verlieren als eure Ketten." Mit Schillers Worten: "Das Volk, zerreißend seine Kette, zur Eigenhilfe schrecklich greift!" Delacroix' berühmt-pathetisches Bild "Die Freiheit führt das Volk an" ist das Bild der Revolution schlechthin: Marianne mit entblößter Brust und gereckter Trikolore sich aus einem Berg von Leichen erhebend.

Erleben wir jetzt eine solche Befreiung? Und können wir ihr leuchtenden Auges sogar bequem aus dem Fernsehsessel folgen? Ein Tyrann wird gestürzt, ein kleptokratisches, 30 Jahre erstarrtes Regime aus blinder Gier und korruptem Terror von der Straße durch die Straße weggefegt. Ist das so, im Moment in Ägypten und in Tunis? Wir wissen inzwischen, wie Revolutionen wirklich ausgehen. Schiller, Ehrenbürger der Französischen Revolution, wandte sich von deren entfesselt blutrünstigen Folgen schaudernd ab. Es ist wahr, unerträgliche Zustände werden beseitigt und kommen so nicht wieder. So nicht!

Aber meistens noch schlimmer. Auf die Französische Revolution folgte der Jakobiner-Terror, Blutbäder in der Gironde und in Lyon, die Guillotine wütete in Paris. Napoleon wurde Kaiser und Diktator, der mit seinen Armeen Europa verwüstete. Delacroix malte in Wahrheit die Folgerevolution: die von 1830. Die berühmte Oktoberrevolution (auch für sie gibt es ein pathetisches Gemälde von Wladimir Serow, in dem Lenin den Massen den Weg weist) verwandelte sich in eine der furchtbarsten Repressionskatastrophen der Menschheit mit Millionen unschuldiger Opfer in Russland, in China, in den Satellitenländern, die an Hunger und in Arbeitslagern starben. Eine Folge des französischen intellektuellen Revolutionsradikalismus war Pol Pot auf den Spuren von Maos grässlicher Kulturrevolution.

Pol Pot schaffte sogar das Geld als Wurzel allen Übels ab und mordete wahllos Millionen. Was waren wir erleichtert, als der Schah von Persien und seine anachronistisch-korrupte Pfauenthron-Regierung stürzte. Was sind wir bedrückt, wenn wir auf Khomeini und die Folgen heute blicken. Das Sprichwort sagt: Die Revolution frisst ihre Kinder. Sie ermordet auch ihre Kindeskinder und betrügt Generationen um ihr Leben. Aber vielleicht mag man sich mit dem Schweizer Historiker Ernst Meyer trösten, der konstatierte: "Das Einzige, was die Geschichte uns lehrt, ist, dass sie uns nichts lehrt."