Wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) mit der Frauenquote umgingen und der FDP Sand in die Augen streuten

Vor 400 Jahren hat der Begriff "Quote" Einzug in unser Vokabular gehalten. Aber während er im Fernseh- oder Wettgeschäft eine durchschlagende, um nicht zu sagen: elektrisierende Wirkung entfaltet, gilt er in der Gesellschaftspolitik als überaus unangenehm. Kein Wunder. Wenn's wo nicht rund läuft, ist der Begriff ja nicht weit. Da haben wir die Ausländerquote, die Arbeitslosenquote, die Behindertenquote - und eben die Frauenquote. Die immer wieder für Empörung sorgt, obwohl es sie gar nicht gibt.

Und wer sie fordert, wie gerade eben Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, wird schnell gemaßregelt. Nach dem Motto, eine Frauenquote sei in den Führungsetagen der deutschen Wirtschaft "nicht durchsetzbar". Sagt die Kanzlerin. Oder: In Parteien brauche man eine solche "diskriminierende" Regelung nicht. Sagt die CSU-Frau Katrin Poleschner. Die ist übrigens Mitte zwanzig.

Am Mittwoch hat Angela Merkel also eines ihrer seltenen Basta-Worte gesprochen. Sie wolle der Wirtschaft "eine zweite Chance" geben, "selbst" Fortschritte zu erreichen, teilte der Regierungssprecher im Namen der Kanzlerin nach der Kabinettssitzung mit. Und das, obwohl der Fortschritt bekanntlich eine Schnecke ist. Aktuell liegt der Anteil der Frauen in den Vorständen und Aufsichtsräten deutscher Unternehmen bei 3,2 Prozent. Trotz der vor zehn Jahren beschlossenen Selbstverpflichtung. Angesichts dieser Zahl hatte Ursula von der Leyen einen 30-Prozent-Schlüssel gefordert. Den, so die Ministerin, könne man am besten "auf der Grundlage ausländischer Erfahrungen" diskutieren.

Tatsächlich hat Frankreich bereits eine Frauenquote beschlossen. Dort sollen bis zum Jahr 2017 40 Prozent aller Vorstandsmitglieder weiblich sein. Norwegen und Spanien haben ähnliche Regelungen, und in Brüssel scheint man inzwischen auch entschlossen, Nägel mit Köpfen zu machen. "Wenn bis Ende 2011 nichts geschieht, müssen wir über gesetzliche Quoten nachdenken", sagt die zuständige EU-Kommissarin für Gleichstellungsfragen, Viviane Reding. Reding verweist darauf, dass der Anteil von Frauen in Führungspositionen in Norwegen nach Einführung der Quote von 25 auf 45 Prozent gestiegen sei. Als EU-Zielgröße hat sie eine Quote von 30 Prozent bis 2015, beziehungsweise 40 Prozent bis 2020 ins Auge gefasst!

Dass in Berlin ausgerechnet zwei Ausnahmefrauen aneinandergerieten - die erste Frau, die es ins Kanzleramt geschafft hat, und ihre auffälligste und durchsetzungsfähigste Ministerin -, hat bei dem einen oder anderen Mann unverkennbar Schadenfreude ausgelöst. Vor allem Ursula von der Leyen bekam das zu spüren. Die werde nun einen "kleinen Kulturkampf" erleben, meinte FDP-Generalsekretär Christian Lindner spöttisch. Und sein Parteifreund, Bundeswirtschafsminister Rainer Brüderle, ließ betont jovial wissen, er halte mehr von "Partnerschaft" als von "Zwang"! Wer es nicht gut meinte mit von der Leyen und Merkel, ventilierte, die Kanzlerin habe der möglichen Konkurrentin von morgen mit ihrem Basta mal kurz die Grenzen aufgezeigt.

Tatsächlich haben von der Leyen und Merkel das alte Stück "Guter Polizist/Böser Polizist" aufgeführt. Die Kanzlerin hat nur deshalb so schnell Basta gesagt, um den Liberalen Sand in die Augen zu streuen, die es sich wiederum nicht mit Männern wie Hans Heinrich Driftmann verderben wollen. Der ist Präsident des Industrie- und Handelskammertages und findet, dass von der Leyens Quoten-Idee völlig "an der Realität vorbei" gehe. Schließlich, so der 63-Jährige, würden in Deutschland bereits vier von zehn mittelständischen Unternehmen durch Frauen gegründet! Das wiederum rief Alice Schwarzer auf den Plan. Die böse fragte, ob Driftmann damit etwa sagen wolle, dass die Gründung eines Kosmetiksalons mit der Besetzung eines Vorstandspostens in einem Dax-Unternehmen vergleichbar sei.

Wer Angela Merkel kennt, weiß, dass die Kanzlerin eine Frauenquote nicht für Teufelswerk hält. Wer Ursula von der Leyen genau zugehört hat, musste zur Kenntnis nehmen, dass die Ministerin nur scheinbar zurückgerudert ist. Von der Leyen hat zwar eingeräumt, dass eine Frauenquote "zurzeit" nicht durchsetzbar sei, aber auch erklärt, dass sie "spätestens" 2018 kommen werde. Egal, "ob national oder angetrieben über die EU".