Das nationale Stipendienprogramm von Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) ist gut gemeint, aber schlecht gemacht.

Gestern hat Bundesbildungsministerin Annette Schavan das "Deutschland-Stipendium" vorgestellt. Damit sollen begabte Studenten gefördert und der Bildungsstandort Deutschland attraktiver werden. Frau Schavan verspricht sich davon sogar "den Aufbau einer neuen, starken Stipendienkultur" in Deutschland. Eine gute Idee, sollte man meinen - auch wenn wir um bestehende Begabtenförderung zahlreicher politischer und konfessioneller Stiftungen und insbesondere der Studienstiftung des Deutschen Volkes wissen. Wird nicht in allen Sonntagsreden über die Bildungsrepublik geredet und darauf verwiesen, dass unser einziger Rohstoff in den Köpfen junger Menschen stecke?

Was also spricht gegen die Idee, die besten Studierenden mit 300 Euro im Monat zu fördern, zumal 150 Euro von privater Seite kommen, die um 150 Euro vom Bund aufgestockt werden?

Wer wird gefördert? Die Hochschulen dürfen über die kommenden Jahre bis zu acht Prozent ihrer Studenten auswählen, die sie für besonders begabt halten. Soziale Kriterien dürfen dabei berücksichtigt werden, müssen es aber nicht. Damit wird in vielen Fällen das monatlich verfügbare Budget von gut gestellten Studenten um 300 Euro erhöht - ein prima Konjunkturprogramm für Studentenkneipen, in denen das zusätzliche Geld landet.

Möglicherweise kürzen aber auch die Eltern ihren Wechsel um 200 Euro - netto immer noch ein Plus von 100 Euro für den Studenten. An den Hochschulen, die mehr Mittel dringend nötig hätten, landet davon leider nichts. Natürlich wird es auch Studenten geben, die von diesem Betrag profitieren werden. Aber hätte es dafür nicht auch eine BAföG-Erhöhung getan?

Auf die Hochschulen kommt die Aufgabe zu, die Hälfte des Stipendien-Betrages von privater Seite einzuwerben. Das ist viel verlangt - nicht nur weil viele Hochschulen kein professionelles Fundraising betreiben und vom Durchreichen eines solchen Ministipendiums nicht dazu animiert werden, in diesen Bereich zu investieren und Personal aufzubauen. Vonseiten des Bundes werden hierfür nur mickrige Summen zur Verfügung gestellt - eine Zumutung. Es gibt aber auch die andere Seite: Von einem befreundeten Rektor einer großen und erfolgreichen Technischen Universität, der Fundraising als Chefsache betreibt, weiß ich, dass er mit Förderern über Summen ab 500 000 Euro pro Jahr spricht, die in die Hochschule investiert werden und die Ausstattung verbessern: Stiftungslehrstühle, Labore, Hörsäle. Soll er jetzt in der 150-Euro-Preisklasse aktiv werden?

Die Förderer der Bucerius Law School unterstützen diese bundesweit einmalige Hochschule mit 25 000 Euro pro Jahr aufwärts, insgesamt machen Spenden und Sponsoring mit etwa 1,5 Millionen Euro rund zehn Prozent des jährlichen Haushalts aus. Exzellente Hochschulen sollten daran arbeiten, das Spektrum an Förderern zu erweitern, um weitere Lehrstühle, Stiftungsprofessuren und Forschungsschwerpunkte einzuwerben. Das ist es, was Bildungsdeutschland braucht.

Wer wird überhaupt bereit sein, in großem Stil den Stipendien beizusteuern? Unternehmen können daran kein Interesse haben, denn "... das Stipendium darf weder von einer Gegenleistung für den privaten Mittelgeber noch von einer Arbeitnehmertätigkeit oder einer Absichtserklärung hinsichtlich einer späteren Arbeitnehmertätigkeit abhängig gemacht werden".

Warum sollte ein Unternehmen Geld ausgeben, mit dem Studenten ihren Wechsel oder ihr BAföG aufbessern? Viele Unternehmen fördern bereits Hochschulen, manche tun das sogar in großem Umfang (leider noch immer mehr in Süd- als in Norddeutschland). Sie fördern auch Studierende, diese aber nur dann, wenn es für das Unternehmen Sinn macht, etwa durch ein duales Studium oder ein gefördertes Masterprogramm für Mitarbeiter, die danach in den Betrieb zurückkehren.

Das Deutschland-Stipendium ist ein Paradebeispiel für Symbolpolitik: gut gemeint, schlecht gemacht.

Deutschlands Hochschulen, die sich aufmachen sollten, große Förderer und Mäzene einzuwerben, erweist das nationale Stipendienprogramm einen Bärendienst.

Man stelle sich im Gegensatz nur für einen Moment vor, Frau Schavan hätte sich, ihrem Ministerium und den Hochschulen (die jetzt alle Hurra rufen und mitmachen müssen, um nicht als Spielverderber dazustehen) diesen Aufwand erspart und ihre Energie in Gespräche mit Unternehmen und vermögenden Privatpersonen dieses Landes investiert und ihnen von John Harvard, Elihu Yale und Leland Stanford oder auch von Helmut und Hannelore Greve, Edmund Siemers oder Gerd Bucerius erzählt: Vorbilder, die mit ihrem Vermögen Universitäten gefördert haben - und nicht Studentenkneipen.