Seit 60 Jahren ran an die Dosen. Ein Mann unter sieben Frauen auf einer Party in Hamburg, bei der es um das perfekte Plastik für die Küche geht.

So", sagt Martina Meyer, greift nach dem "Chefkoch" und stellt sich in Positur, "so: Dann können wir wohl, glaube ich, anfangen?" Die schlanke, 42 Jahre alte Frau wischt sich eine blondierte Haarsträhne aus dem Gesicht und schaut fragend in die Runde der anwesenden Partygäste, die sich bis jetzt an ihren Sektgläsern festgehalten haben, sieben Frauen im Alter zwischen 35 und 50, die sich im Wohnzimmer der Familie Smith-Laufing in Bramfeld versammelt haben.

Sie kennen sich vom Einkaufen, von der Arbeit, von Elternabenden, dem Sportverein, auch von früheren Tupperpartys oder aber nur vom Hörensagen über die Kinder, die in dieselbe Klasse gehen. Sie scheinen alle die gleichen Sorgen und Nöte zu haben. Wohl auch deshalb ist der Knabberkram auf dem Couchtisch noch immer unberührt.

"Hüftgold!", hatte eine beim Reinkommen kritisch bemerkt, woraufhin die anderen wie auf ein Kommando verstohlen an sich herunterschauten. Bis auf Irina Faktorova, die 37 Jahre überschlanke Ukrainerin, die dieses Problem nicht mit sich herumträgt. Sie feiert zum ersten Mal eine Tupperparty. Doch im Alltag sitzt Irina mit den beiden Petras, der Maren, der Katrin, der Sylvia und der Susanne in einem Boot. Sie eint, dass sie nicht nur in ihren Jobs, sondern zusätzlich als Mütter, als Haus- und Ehefrauen funktionieren müssen.

"Es geht ums Familienmanagement", mahnt Martina und erntet dafür gemurmelte Zustimmung. "Es geht um Zeitersparnis. Dass man sich das Leben leichter machen kann! Aber das kennt ihr ja!" Ein Satz, der heute Abend noch häufiger fallen wird. Eigentlich sei sie ja gelernte Einzelhandelskauffrau, erzählt sie, und dass sie diesen Job als selbstständige Handelsvertreterin nun schon seit vier Jahren mache würde.

Früher habe sie sich nämlich schier zerreißen müssen zwischen den festen Arbeitszeiten und ihrer Familie. Inzwischen habe sie sich zur Gruppenberaterin hochgetuppert. Sie könne jetzt noch Teamleaderin werden und sogar Bezirkshändlerin.

Ungefähr drei bis vier Haushalte besucht Martina durchschnittlich pro Woche und präsentiert jeweils etwa 40 bis 50 von insgesamt rund 200 verschiedenen Produkten, die das Unternehmen in Deutschland vertreibt. Der Esstisch der Familie Smith-Laufing reicht für ihr Sortiment nicht aus, knapp die Hälfte des Wohnzimmerfußbodens ist mit bunten Schüsselsortimenten bedeckt. "Heute", sagt Martina mit einem Blick auf den "Chefkoch", den sie nun schon seit gut drei Minuten auf der offenen rechten Hand präsentiert, "will ich euch die speziellen Januarangebote vorstellen."

Ihre Hand zittert kein bisschen, denn der "Chefkoch" ist ultraleicht. "Er zerkleinert dennoch mühelos Obst und Gemüse. Und der Rühreinsatz sorgt für einfachen Rühren und Mischen!" 44,90 Euro koste der stromlose Küchenhelfer, was zwar nicht gerade billig sei, "aber was ist, wenn man zum Beispiel schnell mal einen Kuchen backen muss, weil überraschend Freunde kommen?".

Sylvia, die Krankenschwester, und Katrin, die Apothekenhelferin, beide verheiratet, beide mit Kindern, sehen sich an. Sie scheinen beide das Gleiche zu denken: Wann kommen Freunde schon mal überraschend, und zweitens, würden sie dann auch mal eben schnell einen Kuchen backen? Auch Irina zuckt die Schultern. Ihr ist anmerken, dass sie nicht genau weiß, wofür sie den "Chefkoch" einsetzen würde. Es gebe schließlich vernünftige Küchenmesser.

Vor gut zwölf Jahren, als Irina aus Kiew nach Hamburg kam, war Tupperware in ihrer Heimat unbekannt. Mittlerweile auch nicht mehr. Der Siegeszug des perfekten Plastiks begann in den 1940er-Jahren, als der amerikanische Chemiker Earl S. Tupper, ein Pionier im Bereich der Verwendung von Polyäthylen, seine "Tupper Plastic Company" gründete. Die "Wunderschüssel" (Wonderlier Bowl) aus dem Jahre 1946 wird bis heute verkauft. Ihr akustisches Markenzeichen ist der "Tupperseufzer", eine Art Vakuumflatulenz, der durch mittiges Drücken auf den Deckel signalisiert, dass die Lebensmittel jetzt luft- und wasserdicht verschlossen sind und transportiert werden können.

Nach einer GfK-Studie kennen über 90 Prozent der Deutschen die Produkte, die bereits in über 80 Prozent der deutschen Haushalte zu finden sind, häufig in mehreren verschiedenen Ausführungen. Manche sprechen gar von Tuppersucht. Auch Martina kennt Kundinnen, bei denen hinter jeder Schranktür ein mehrschichtiges Tupperchaos lauert. Inzwischen ist sie beim "Dosen-Meister" angelangt, dem Konservenöffner, der keine scharfen Ränder hinterlässt, Kostenpunkt 26,90 Euro. Sie nimmt eine Dose Pfirsiche in den Klammergriff des "Dosenmeisters" und schwenkt sie herum. Petra, die Gastgeberin, denkt eine Schrecksekunde lang ans neue Laminat und juchzt. Jürgen, Petras 45-jähriger Lebensgefährte, steckt den Kopf ins Wohnzimmer herein und bemerkt, dass diese Dose doch auch ohne Öffner geöffnet werden könne. Schließlich besitze sie einen Ring. Er sei Einzelhandelskaufmann, mit Dosen kenne er sich aus. Petra scheucht ihn mit einer kurzen Handbewegung in die Küche, Sekt holen. Sie wirkt in diesem Moment ein ganz klein wenig gereizt, denn je mehr Umsatz auf ihrer Party erzielt wird, desto mehr "Sterne" kann sie ergattern, was wiederum höhere Rabatte beim Kauf nach sich zieht. Da ist männliche Schlauheit fehl am Platz, denn das hier ist Martinas Show. Jürgen trollt sich. "Toll, wie dein Mann funktioniert", sagt Susanne. Die anderen Frauen glucksen. Von so einem netten Jürgen, der klaglos das tut, was man von ihm verlangt, von dem träumen sie offenbar alle. "Auch wenn es nur eine Dose im Jahr ist, braucht man einen Dosenöffner!", sagt Martina. "Ich mach sie jetzt mal auf, denn wir wollen ja gleich noch kochen!"

Wenige Augenblicke später verlagert sich die Tupperparty in Petras Küche. Martina kündigt ein kinderfreundliches Putengeschnetzeltes an, mit Früchten auf Basmatireis. Ohne Mikrowelle könnte die Tupperhausfrau ihre Vorteile jedoch niemals ausspielen. Die Smith-Laufings besitzen eine. Martina hat alle Zutaten mitgebracht: Der Basmatireis kommt in den "Reis-Meister" ("Wichtig ist, dass der Reis am Ende noch einmal fünf Minuten nachgart!"), das gewürfelte Putenfleisch mit Gewürzmischung, ein wenig Instantbrühe und den pürierten Pfirsichen ("Kinder essen bekanntlich keine Stückchen!") in die "Gourmet-Line Kasserolle", eine Art Römertopf aus hitzebeständigem Polyäthylen. Bloß noch kurz durchrühren und ab in den Backofen.

"Das ist jetzt Dampfgaren auf höchstem Niveau", erklärt sie, "da kann man nebenher ganz locker noch ein paar andere Hausarbeiten erledigen", und außerdem - "Ihr kennt das ja!" - komme die Familie immer zu unterschiedlichen Zeiten nach Hause!

Ja, das scheinen die Partygäste alle zu kennen. Termine, Termine, Termine. Unterschiedliche Schulzeiten und ungeplante Überstunden. Soll man deswegen das gute Essen wegschmeißen? Wo der Euro längst nicht mehr so locker sitzt? Tupper scheint bei den Partygästen auch ein ganz spezielles, positives Lebensgefühl zu erzeugen. "Ich kann's", könnte dies lauten, "ich hab meinen Alltag jetzt prima im Griff und mache mich dabei nicht tot." Oder so ähnlich.

"Gesund", erklärt die Beraterin geduldig, "ist das Kochen mit Tupper auch, weil die Mikrowellen nur das Wasser zum Kochen bringen, aber durch die metallene Abschirmung des Garbehälters nicht im Kochgut in Schwingungen geraten." Das kannten die Partygäste noch nicht. "Ich habe eine Kundin, die hat mir neulich erzählt, dass ihre Kinder sogar Brokkoli essen würden, seitdem sie mit der Gourmet-Line kocht", fährt Martina fort. Maren nickt staunend. "Das wäre ja mal ein Traum, wenn meine Fenja Brokkoli essen würde." "Gibt es überhaupt Kinder, die gerne Brokkoli essen?", will Jürgen wissen - er hat Sekt nachgeschenkt.

"Eigentlich sind wir ja Facebook", sagt Maik Scheifele, Sprecher von Tupperware Deutschland in Frankfurt, "aber das sind wir schon seit 60 Jahren und in echt." Nur wegen der drei "P" - nämlich Produkt, People und Party - funktioniere Tupperware so erfolgreich. "Unsere Artikel sehen zwar einfach aus", analysiert Scheifele, "aber unsere geschulten Beraterinnen und Berater führen sie deshalb praktisch vor. Darüber hinaus bekommen die Partygäste Tipps rund um Küche und Kochen." Und dann sei da natürlich noch das "Wir-Gefühl", das gemeinsame Aha-Erlebnis, was das Internet niemals leisten könne.

20 Minuten und drei weitere Produktvorführungen später ist das Essen fertig. Der Basmatireis ist locker, das Putengeschnetzelte heiß und durch. Der unermüdliche Jürgen füllt in der Küche Probierportionen in Dessertschalen und serviert sie. Dann essen alle. Beinahe schon andächtig. Und tatsächlich: Das Essen schmeckt, sogar der kleinen Fenja, obwohl Obst drin ist. "Klasse", sagt Maren leise zu ihrer Sitznachbarin Susanne, "da merken die Kinder nicht mal, was sie eigentlich essen." Martina legt da schon mal die Bestellbögen bereit. Dabei lächelt sie versonnen. Die Kasserolle kostet 125, der Reis-Meister 24,90 Euro. Sie weiß eigentlich schon jetzt, dass es eine ziemlich gelungene Party gewesen ist.