Dr. Steffen Burkhardt, 33, ist Medienforscher an der Universität Hamburg.

Hamburger Abendblatt:

1. Das RTL-Dschungelcamp hat 42 Prozent Marktanteil bei 14- bis 49-Jährigen. Müssen die sich alle den Vorwurf gefallen lassen, sie seien verblödet?

Steffen Burkhardt:

Nein, im Gegenteil. Der Promi-Urwald ist eine zeitgemäße Interpretation der Commedia dell'Arte, die als Realsatire unser Leben karikiert. Wer weiten Teilen der Gesellschaft Verblödung unterstellt, unterschätzt den intelligenten Humor der Deutschen.

2. Würden Sie Dschungelcamp sehen, auch wenn Sie keine beruflichen Gründe dafür hätten?

Burkhardt:

Dann würde ich es erst recht sehen. Als Medienforscher bin ich quasi auf Dauerempfang. Da ist der Spaß nur halb so groß, wenn man am Abend vorm Fernseher sitzt und Promis anschaut, die Känguru-Hoden kauen.

3. Warum schätzen sogar manche Akademiker diese Form der TV-Unterhaltung?

Burkhardt:

Der schichtübergreifende Reiz des Dschungelcamps besteht in einem sozialen Klassenexperiment. Stellvertreter sehr unterschiedlicher Subkulturen werden in den australischen Busch verfrachtet und kämpfen um die Reste der Wohlstandsgesellschaft: spätpubertierende Rentnerin gegen neunmalkluges Mädel, Alt-68er gegen Neo-Konservativen, Homo gegen Hetero. Das ist zynischer Sozial-Darwinismus zwischen Bananenblättern mit maximalem Unterhaltungswert für Fans.

4. Denken die Dschungelcamp-Fans, wie Roger Willemsen kürzlich unterstellte, "Gott sei Dank bin ich nicht so wie die da ...?"

Burkhardt:

Nein, im Gegenteil. Sie erkennen die Grundzüge unserer Gesellschaft, die Absurdität menschlicher Beziehungen in dieser Realsatire wieder. Der ganz alltägliche Wahnsinn ist dort nur amüsanter.

5. Könnte man die mit Ironie und Sarkasmus gespickte Moderation von Dirk Bach und Sonja Zietlow nicht auch als eine Art intelligentes Kabarett ansehen?

Burkhardt:

Bach und Zietlow feiern Dschungel-Karneval. Ihr Baumhaus ist die Kulisse einer TV-Büttenrede, in der sie die menschlichen Makel der Promis karikieren. Mit spitzer Zunge und Safari-Narrenkappe. Das ist publikumsnahes Kabarett - intelligent, ohne ins Intellektuelle abzudriften.