Großhändler Reyher steckt 15 Millionen Euro in Versandzentrum, plant Rekorderlöse und sagt: “Sind mit Ausbauplänen noch nicht fertig.“

Hamburg. Die Szenerie wirkt gespenstisch. Wie durch Geisterhand bewegen sich Paletten in dem 36 Meter hohen Raum. Menschen sind im vollautomatischen Lager des Hamburger Schraubengroßhändlers Reyher kaum zu sehen. Das Zusammenstellen von Bestellungen erledigt der Computer.

Rund 40 Millionen Euro hat das Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren am Standort am Haferweg in Altona investiert und so den 1887 gegründeten Händler für Eisenwaren in die Liste der fünf größten Schraubenspezialisten Deutschlands gehievt. "Wir sind mit unseren Ausbauplänen noch nicht am Ende", sagt Reyher-Geschäftsführer Peter Bielert und zeigt auf eine riesige Baustelle. 15 Millionen Euro werden dort in ein Versandzentrum investiert, das Ende des Jahres fertiggestellt sein soll. 18 bis 20 neue Stellen werden so geschaffen.

Die Modernisierung hat sich offenbar gelohnt. Im Jahr 2000 erlöste der Großhändler mit 350 Mitarbeitern 110 Millionen Euro, inzwischen stieg der Umsatz auf 220 Millionen und die Zahl der Mitarbeiter auf 480. "In diesem Jahr werden wir die 500er-Marke überschreiten", ist sich Winfried Gretz sicher. Und es könnten noch mehr sein, wenn das Unternehmen genügend Auszubildende finden würde. 40 Lehrstellen bietet Reyher an, aber mangels Bewerbern sind nur 30 besetzt.

Gretz und Bielert teilen sich die Geschäftsführung seit dem 1. Juli. Erstmals seit der Gründung legten die Eigentümer, zwei Hamburger Familienstämme, die Geschicke ihres Unternehmens in die Hände von Familienfremden. Die beiden Manager konnten bereits in ihrem ersten Amtsjahr glänzen. Der Umsatz erhöhte sich im vergangenen Jahr gegenüber 2009 um 18 Prozent. "Für dieses Jahr peilen wir mehr als 235 Millionen Euro an", so Bielert. Damit würde das bisherige Rekordjahr 2008 übertroffen.

Mit 10 000 Kunden, 110 000 verschiedenen Artikeln im Lager und mehr als 2500 Auslieferungen pro Tag gehört das Unternehmen, dessen Namen die meisten Hamburger vermutlich noch nicht einmal kennen, zu den wichtigsten Lieferanten für die deutsche Industrie. "Wir haben mit mehr als 70 000 verschiedenen Produkten in unserem Katalog das breiteste und tiefste Sortiment im Bereich Verbindungselemente und Befestigungstechnik zentral an einem Ort", sagt Bielert. Weitere 40 000 Produkte werden für verschiedene Kunden bereitgehalten. "Zudem haben wir mehr als 60 000 Sonderteile im System, die wir jederzeit an die Kunden liefern können", so Bielert, der garantiert, dass die Bestellung spätestens nach 24 Stunden beim Unternehmen in Deutschland ankommt, wenn nötig sogar direkt am Fließband. Nur innerhalb Europas könne die Lieferung bis zu 48 Stunden unterwegs sein.

Schrauben, wie sie der Durchschnittsheimwerker benutzt, finden sich zwar auch zuhauf bei Reyher, doch spezialisiert ist das Unternehmen auf Lösungen für Branchen wie den Maschinenbau, weitere Industrien und den Facheinzelhandel. Neben kleinen Muttern bestellen die Kunden des Unternehmens unter anderem mehr als einen Meter lange Gewinde oder Spezialschrauben, die so groß und schwer sind, dass sie kein Mensch allein halten kann. Gefertigt werden die Teile in Asien, Italien - und Deutschland. "Vor allem im Sauerland gibt es noch zahlreiche Spezialbetriebe", erzählt Bielert.

Ein großer Abnehmer ist die Windkraftbranche, die nahezu unzerstörbare Befestigungssysteme für Rotoren oder Blätter bestellt. "Derzeit machen wir zehn bis zwölf Prozent unseres Umsatzes mit den Erbauern von Windanlagen. Rechnet man noch die Solarbranche hinzu, so beträgt der Bereich erneuerbare Energien 15 Prozent unseres Geschäfts", so Gretz, dessen Produkte auch schon im Offshore-Bereich Anwendung finden.

Wie viele einzelne Schrauben Reyher in seinem Lager exakt vorrätig hat? Da muss Manager Bielert nachdenken. "Gezählt haben wir sie nie, aber gewogen." Und die Waage hatte viel Arbeit zu leisten. Am Ende der Zählung stand fest. Der Lagerbestand beläuft sich auf rund 28 000 Tonnen.