Der Westen hat den Vergleich mit China nicht zu fürchten.

Das heikle Verhältnis zwischen China und den USA wird durch den Umstand illustriert, dass beim jüngsten Gipfel der Präsidenten Barack Obama und Hu Jintao in Washington ein Friedensnobelpreisträger ein Staatsbankett zu Ehren eines Gastes abgehalten hat, der den amtierenden Friedensnobelpreisträger im Gefängnis aufbewahrt.

In den USA wie auch in Teilen Europas herrscht blanke Angst vor dem chinesischen Drachen. Doch ein Blick in die Geschichte zeigt, dass eine Supermachtposition Chinas keineswegs etwas unerhört Neues, sondern eigentlich der Normalfall ist. Nur können sich ultrapatriotische Amerikaner nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass der viel zitierte "unilaterale Moment" einer alles dominierenden Hypermacht USA eben genau das war: nur ein historischer Moment. Darstellungen Chinas als globaler Kraftmeier sind neuerdings von geradezu hyperventilierender Erregtheit gekennzeichnet. Doch noch liegen die USA militärisch um Jahrzehnte voraus; wer sich sorgt, dass China jetzt gar einen Flugzeugträger besitzt - ein betagtes Modell aus ukrainischer Konkursmasse übrigens -, vergisst, dass die US-Marine allein über elf hochmoderne Trägerkampfgruppen verfügt.

Und noch erwirtschaften die 300 Millionen Amerikaner ein dreifach höheres Bruttoinlandsprodukt als die 1,35 Milliarden Chinesen. Chinas rasanter Erfolg beruht zu einem beträchtlichen Teil auf Industriespionage, sozialer Ausbeutung und der schamlosen Manipulation seiner Währung. Bislang ist seine Industrie auch weniger mit technologischen Neuerungen als mit Nachbauten aufgefallen.

Das Aufbrechen der enormen sozialen Gegensätze im Reich der verlorenen Mitte wird nur durch ein System brutaler Repression verhindert - wie lange, weiß niemand. Der Westen wird mit einem selbstbewussten China leben müssen, dessen Nationalismus sich, wie in jedem Imperium der Geschichte, bedenklich aufbläht und dessen Machtprojektion weit über Asien hinausreicht. Die USA und die EU haben einen Vergleich mit China jedoch nicht zu fürchten - ökonomisch nicht und schon gar nicht gesellschaftspolitisch.