Als Ungläubiger muss man sich oft rechtfertigen. Das ist richtig lästig. Deshalb auf ein offenes Wort, Herr Gott

Lieber Herr Gott,

immer soll man Toleranz zeigen, als Atheist. Immer soll man sich anpassen, als Atheist. Immer soll man dir zustimmen, als Atheist. Aber nie werden wir gefragt, was wir wollen, wir Atheisten.

"Ich glaube nicht an Gott." Das ist ein Satz, für den man heute noch Mut braucht, um ihn sagen zu können, denn nirgendwo stößt man damit auf Verständnis.

Sofort bekommt man von allen Seiten Spott und muss sich anhören, was für eine Sünde es sei, nicht an Sie, Herr Gott, den Erschaffer der Welt, zu glauben. Das ist fast ähnlich, als würde man sagen: "Ich bin schwul." Man outet sich in den meisten Gesellschaften einfach mit so etwas nicht.

Die zweite Frage ist dann sofort: "Warum glaubst du denn nicht an Gott, den Allmächtigen?" Blöde Frage. Einfache Antwort: Ich glaube nicht an Sie, Herr Gott, weil ich mir mein Leben nicht von jemandem vorschreiben lassen möchte, von dem nicht mal bewiesen ist, dass er überhaupt mal gelebt hat. Ich will der Herr über mein eigenes Leben sein.

Ich möchte nicht fünf Kinder oder Aids bekommen, weil ich mein Leben lang strikt nach den Zehn Geboten und dem Papst gelebt habe und deswegen kein Kondom benutzt habe. Ich möchte im Leben Spaß haben und auch mal Unüberlegtes tun. Ich will Sex vor der Ehe, und das nicht nur mit einem Mann. Vielleicht auch mal mit einer Frau? Na und?

Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert. Da wird es ja wohl möglich sein, sich selber ein Bild darüber zu schaffen, wie die Welt entstanden ist, ohne sich dabei an den Sieben-Tage-Kalender von Ihnen zu halten, Herr Gott! Kommen wir zur Toleranz. Wir sind hier in Deutschland, und man darf glauben, an was man will. Damit habe ich ja auch kein Problem, Herr Gott.

Aber ich habe ein Problem damit, dass gläubige Menschen so verbohrt sind und meinen, dass das, was sie sagen, richtig ist und nichts anderes. Dass sie die einzig Richtigen sind und das einzig Richtige tun.

Aber sie tun nicht das Richtige, Herr Gott. Immer sollen wir als Ungläubige, als Atheisten die Gläubigen um uns herum akzeptieren und tolerieren und ja den Mund halten.

Wir akzeptieren die Gläubigen ja auch, aber sie akzeptieren uns nicht.

Sie sollen doch mal darüber nachdenken, wie wir sind und wie wir uns bei ihren Angriffen fühlen, aber das ist ihnen egal. Sie sind egoistisch geworden. Durch Sie, Herr Gott! Sie mögen keine Atheisten. Und deswegen mögen uns Ihre Anhänger auch nicht.

Das steht schon in der Bibel, das sagen Sie, Herr Gott: Alle, die mir folgen, werden gesegnet und kommen in den Himmel und haben Glück bis an ihr Lebensende und blablabla.

Doch wenn wir die Seite umblättern, dann ist all der Zorn zu finden, den Sie uns entgegenbringen. Uns, die Ihnen nicht Folge leisten.

In der Bibel stehen Dinge wie: Wer mir nicht folgt, der kann sich auf etwas gefasst machen, der wird sein Leben lang nicht mehr glücklich und kommt in die Hölle.

Nicht nett, Herr Gott. Wenn Sie uns nicht mögen, ist das nicht so schlimm. Aber ich habe keine Lust mehr, die Gläubigen zu tolerieren und mich vor ihnen zu rechtfertigen, denn eigentlich müssten sich die Gläubigen vor mir rechtfertigen.

Und solange mich jemand beschimpft, weil ich Atheistin bin, werde ich zurückschimpfen. Und Sie, ihr Anführer, Herr Gott, Sie sollen uns sowieso in Frieden lassen. Denn für uns gibt es Sie gar nicht.

Viele Grüße von einer Atheistin, die es leid ist, von allen unverstanden zu sein, und nur akzeptiert und toleriert werden will