Unternehmer Richard Herrling baut mit Biogasanlage und Aquarien ein Vorzeige-Ökoprojekt auf. 2012 könnte er zehn Millionen Euro umsetzen.

Hamburg. Die junge Dame ist in den Augen von Richard Herrling ein Prachtexemplar. Ein fast transparenter Körper, ellenlange Fühler, hervorstehende dunkle Augäpfel. Als stecknadelgroßes Jungtier hat Herrling die Garnele (auf Englisch: Shrimps) aus Florida importiert. Heute, sieben Monate später, ist sie 25 Zentimeter groß und wohnt mit einigen Hundert Artgenossen in einem Abstellraum von Herrlings Immobilenverwaltung in Reitbrook. Über den fünf Aquarien liegen Netze, falls die Tiere hochspringen. Darüber wölbt sich ein Sammelsurium aus Kabeln und Steckdosen für Wasserfilter, Heizstrahler und Entkeimungsanlage. "Noch päppeln wir unsere jungen Garnelen auf", sagt Herrling und betrachtet seine zappelnde Importware liebevoll. "Erst mit acht Monaten werden sie geschlechtsreif und können sich fortpflanzen."

Plan eines ökologischen Vorzeigeprojektes

Was derzeit noch aussieht wie Hobby-Aquaristik, soll in nicht allzu ferner Zukunft ein ökologisches Vorzeigeprojekt werden. Die Garnelenzucht ist zwar in Hamburg einmalig und auch bundesweit äußerst exotisch, ursprünglich aber nur ein Nebenprodukt. Im Zentrum von Herrlings Plänen steht der ehrgeizige Wunsch, die Energie für seine Wohn- und Büroanlage an der Dove Elbe im Bezirk Bergedorf selbst zu erzeugen. Nachhaltig, versteht sich. "Nur mit nachwachsenden Rohstoffen können wir unsere Abhängigkeit vom Erdöl verringern - das schulden wir auch den nachfolgenden Generationen", sagt Herrling, 42. "Ich transportiere tausendmal lieber Silage als Castor-Behälter über den Deich."

Seine ökologische Überzeugung war dem Hamburger mehrere Millionen Euro wert, die er seit 2006 in die Entwicklung einer hochmodernen Biogasanlage gesteckt hat. Das Ungetüm aus Beton und Dämmstoffen steht mitten auf Herrlings Land, umgeben von Feldern, auf denen die benötigten Rohstoffe wachsen. Hirse und Sonnenblumen, benachbarte Bauern liefern Grasschnitt und Rindergülle.

Die Biogasanlage speist Strom ins öffentliche Netze ein

"Wir haben hier die erste Biogasanlage mit nachwachsenden Rohstoffen in ganz Hamburg aufgebaut", sagt Herrling stolz. "So produzieren wir 20 Prozent mehr Energie als mit einer herkömmlichen Anlage." Bei der Umsetzung haben Professoren der Technischen Universität Harburg geholfen, einen Fachmann für Biogas hat Herrling extra eingestellt. Vier weitere Mitarbeiter bestellen die 310 gepachteten Hektar Land. Die Mühe hat sich offenbar gelohnt: Seit Anfang Dezember speist die Biogasanlage Strom ins öffentliche Netz ein und beheizt alle Gebäude auf Herrlings Grundstück. Sieben alte Bauernhäuser direkt hinter der Reitbrooker Mühle, die meisten denkmalgeschützt. In einem aufwendig sanierten Haus von 1604 haust Herrlings Familie, die übrigen bewohnen seine Mitarbeiter sowie die frühere Hofbesitzerin.

Die alte Dame kann bezeugen, wie sehr sich der Hof in den vergangenen Jahren verändert hat. Denn die Biogasanlage hat diverse weitere Projekte angestoßen, die durch den überschüssigen Wärmeertrag möglich werden. "Aus Gewissensgründen kann ich diese Abwärme nicht einfach in die Luft pusten", sagt Herrling. "Deshalb haben wir uns andere Verwendungszwecke überlegt." Blumen oder Gemüse wären zwar typisch für die Vier- und Marschlande gewesen - für einen gelernten Konditormeister wie Herrling, der nach dem Tod seines Vaters die familieneigene Bäckereikette verkauft und in eine Immobilienverwaltung verwandelt hat, wohl aber zu langweilig. So entschied er sich, nebenbei in die Zucht des begehrten Luxusprodukts Shrimps einzusteigen. "Das Projekt ist in dieser Form in Deutschland einmalig", sagt Mervée Hoffmann, Hydrobiologin und eigens für den Aufbau der Kulturen angestellt. "Mit einem solchen Kreislauf, bei dem 100 Prozent der Biomasse wiederverwendet werden, macht es Sinn, solche exotischen Tiere in Bergedorf zu züchten." In ihrem weiß gekachelten Labor studiert sie seit Jahren die Laichbedingungen von Garnelen, prüft Methanbakterien und untersucht die zappeligen Lebewesen regelmäßig. Vor dem Import der eigenen Elterntiere standen sogar Bildungsreisen nach Thailand, wo Shrimps in Massen produziert werden.

Garnelen zweites Standbein neben Immobilien

Der ganze Aufwand soll sich eines Tages auszahlen. "Wenn alles gut läuft, könnten die Garnelen ein zweites Standbein neben den Immobilien werden", sagt Herrling. Schon im Jahr 2012, wenn sich sein Lebendimport vermehrt hat und das Treibhaus für die Garnelenzucht gebaut ist, will er in den Handel einsteigen - bei den derzeitigen Preisen winken jährlich zehn Millionen Euro Umsatz. Mehrere Hamburger Gastronomen hätten bereits Interesse angemeldet, auch mit Handelsketten ist Herrling nach eigenen Angaben im Gespräch. "Die Chancen für einen Markteinstieg sind optimal, weil in Asien viele Garnelenbestände virenverseucht sind und in den USA die Ernte nach dem Unfall der Ölplattform schwach ausfällt", sagt der zukünftige Shrimps-Bauer, der bereits die Ausweitung der Zucht auf Seeigel, Schnecken, Wolfsbarsch, Dorade und Steinbutt plant.

Damit der Biokreislauf geschlossen bleibt, soll künftig das Tierfutter - Süßklee, Weizen, Erbsen, Soja - auf dem eigenen Land angebaut werden. Den Gärrest aus der Biogasanlage könnte Herrling zu Heizpellets pressen lassen, mit denen die Wohnhäuser seiner Immobilienfirma beheizt werden könnten. Auch die Shrimps bringen weitere Nebenprodukte hervor: Ihr Abwasser kommt als Dünger auf die hofeigenen Felder. Und der Chitinpanzer, den die Tiere regelmäßig abwerfen, wird sowohl in der Ernährungs- als auch in der Textilindustrie verwendet. Die prächtigen transparenten Häute haben also nicht nur einen Seltenheitswert.