Grüne geben CDU um Sozialsenator Wersich die Schuld an der fehlerhaften Erhöhung. Dabei hatte Schwarz-Grün das gemeinsam entschieden.

Hamburg. Alte Freunde sind im Wahlkampf schnell verraten. Seit amtlich wurde, dass die Erhöhung der Kita-Gebühren handwerklich ein Fehlgriff ist, wollen die Grünen den Eltern nicht nur Millionen zurückzahlen, sie geben auch Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) allein die Schuld an der verkorksten Maßnahme. "Es war ein Fehler, dass wir uns auf die Prognosen der Sozialbehörde verlassen haben", sagte Fraktionschef Jens Kerstan. "Diese ungeplanten Mehreinnahmen müssen den Hamburger Eltern so schnell wie möglich zurückgegeben werden."

Kita-Höchstgebühr für jedes fünfte Hamburger Kind

Jedes fünfte Kind, also 20 Prozent, kostet laut offizieller Erhebung seine Eltern die volle Erhöhung von 100 Euro monatlich mehr, angekündigt waren "drei bis fünf Prozent". Zusätzliche fünf Millionen bringt das laut Behörde in die Kassen. Insgesamt würden Hamburgs Eltern mit 25 Millionen Euro jährlich mehr belastet. Allerdings haben alle Parteien signalisiert, die Erhöhung zurückzunehmen. Die SPD gibt mit einer kostenlosen Basisbetreuung das teuerste Versprechen.

Allerdings dürften auch die Grünen von den Risiken der Kalkulation gewusst haben, als sie die Gebührenerhöhung im vergangenen April als "zumutbar" befürworteten. Da nur ein Teil der Spitzenzahler ihr Einkommen offengelegt hatte, war in der schwarz-grünen Koalition schon damals von einer "erheblichen Dunkelziffer" die Rede. SPD-Kita-Expertin Carola Veit vermutet, die Zahlen seien geschönt worden, um die Empörung niedrig zu halten. Auch die Angabe der Sozialbehörde, 70 Prozent der Familien seien "nicht betroffen", will Veit nicht gelten lassen: Schließlich müssen auch Hartz-IV-Empfänger die höheren Essensbeiträge in Kitas und Horten zahlen.

Obwohl viele Eltern gegen die finanzielle Belastung demonstrierten, berichten Hamburgs Träger nicht von massenhaften Abmeldungen. Von Einzelfällen ist die Rede, auch beim Interessenverband Lea. Einige Eltern melden ihre Kinder ab, andere reduzieren die Anzahl der täglichen Betreuungsstunden. "Viele Doppelverdiener gelten der Behörde als Spitzenverdiener, aber sie haben in Wahrheit gar keine andere Wahl, als weiter zu arbeiten und ihre Kinder betreuen zu lassen", sagte Sprecherin Claudia Wackendorff.

Besuch bei einer Kita in Steilshoop: "Wir mussten die Betreuungszeit für unseren Sohn von sechs auf fünf Stunden reduzieren", sagt eine Mutter, als sie ihr fünfjähriges Kind gerade aus der Kita abholt. Sie hält ihre zweijährige Tochter auf dem Arm und wirkt gehetzt. Im Oktober ist ihre Elternzeit vorbei. "Ich überlege mir schon, wie ich wieder in den Beruf einsteige, ohne dass es ein Minusgeschäft für uns wird", sagt die Barmbekerin. Schließlich werde das Gehalt nicht wie die Gebühren mal eben um 100 Euro netto pro Kind erhöht.

Patricia Stoye, 31, arbeitet als Kinderpflegerin in einer Kita und sieht das Problem von zwei Seiten. "Als Mutter habe ich Verständnis, aber andererseits fehlt der Kita das Geld", sagt sie. Sie und ihr Mann arbeiten Vollzeit. Sohn Noel, 3, ist bei ihr in der Kita mit untergebracht. Sein Bruder Noah, 9, wird nachmittags im Hort betreut. "Aber das mussten wir jetzt um eine Stunde kürzen, weil es mit den neuen Gebühren zu teuer wurde", sagt sie. Natürlich ändert sich nun auch einiges im Alltag der Familie. "Gemeinsame Ausflüge ins Schwimmbad oder in den Zoo wird es jetzt seltener für uns geben", sagt Stoye. Manchmal helfe eben nur Galgenhumor.

Andere hingegen sind vor allem sauer, so wie Anna Brettschuh, 38. Von acht bis 14 Uhr ist ihr zweijähriger Sohn Leopold werktags in der Kita. Ihr Mann bringt ihn hin, sie holt ihn ab. Anders würden es die Arbeitszeiten der beiden nicht zulassen. Eine Verkürzung der Zeit kommt für die Projektentwicklerin nicht infrage. "Ich arbeite ja jetzt schon nur 20 Stunden pro Woche und bin froh, dass mein Arbeitgeber da mitmacht", sagt sie. In vielen anderen Branchen sei das nicht möglich. "Da wollen sie immer gut ausgebildete Akademikerinnen, und dann macht es einem die Politik so schwer."