Wut klingt in der Stimme der Seniorin mit, Bitterkeit und maßlose Enttäuschung. Wenn sie das geahnt hätte! Wenn sie früher gewusst hätte, wie sehr sie sich in einer Frau getäuscht hat, bei der sie sich einst "wunderbar aufgehoben" glaubte. Der sie ihre gesamten Ersparnisse anvertraute in der Annahme, das Geld werde sicher in Immobilien und betreutes Wohnen investiert. "Vorne tut sie freundlich, und hinterrücks nimmt sie uns aus und macht Lustreisen und alles", wettert die 84-Jährige jetzt über die Frau, von der sie sich maßlos betrogen fühlt.

"Es ist eine Gemeinheit und Ekelhaftigkeit uns alten Leuten gegenüber." Tatsächlich ging zumindest ein Teil des Geldes, das Ruth T. und andere Senioren eigentlich in die Sicherung eines sorgenfreien Lebensabends investieren wollten, offenbar in ein Projekt, das bei betagten Menschen naturgemäß nicht ganz oben auf der Prioritätenliste steht: eine Kartbahn.

Die Frau, der diese Brandrede gilt, blickt gleichmütig drein. Wegen gewerbsmäßigen Betruges ist Heike K. in einem Prozess vor dem Landgericht angeklagt, und es scheint, als habe die 43-Jährige einen emotionalen Schutzpanzer angelegt, an dem alle Vorwürfe glatt abperlen: der Zorn der Menschen, die sich von ihr hintergangen fühlen, und auch die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, Heike K. habe unter dem Deckmantel einer Seniorenberatung betagte Menschen betrogen. So soll sie Rentnern etwa vorgespiegelt haben, bei ihr angelegtes Geld bringe 7,5 Prozent Zinsen und werde sicher in den Bau von Seniorenanlagen investiert.

Unter anderem habe sie die Ersparnisse von Ruth T., mehr als 200 000 Euro, für sich vereinnahmt, heißt es in der Anklage. Bei einem 92-Jährigen, der auf ihr Anraten hin sein Sparbuch auflöste, hat Heike K. laut Ermittlungen 60 600 Euro für eigene Zwecke verbraucht. Insgesamt werden ihr 25 Taten vorgeworfen. Mit ihr vor dem Landgericht steht eine 58-jährige Frau, der Beihilfe zum Betrug vorgeworfen wird.

Ihr Konzept habe jedoch Hand und Fuß, wehrt sich die Hauptangeklagte Heike K. gegen die Vorwürfe. Sie habe ein altes Bauernhaus gekauft, das saniert und in mehrere Einheiten für betreutes Wohnung umgebaut werden sollte. "Der Bedarf war da", rechtfertigt sie ihre Pläne. "Und die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens zur Absicherung der Zinsen war gewährleistet", ergänzt die Angeklagte, die bereits mehrfach wegen Betruges vorbestraft ist. Es sei lediglich alles eine Frage der Zeit gewesen.

"Kann man das so verstehen", fasst der Vorsitzende Richter ihre umfangreichen Erklärungen zusammen, "dass Sie Geld eingesammelt haben von Senioren mit dem Versprechen, dass es irgendwann betreutes Wohnen gibt, aber dass nur so viel gebaut wird, wie Geld vorhanden ist?" Das System lebe ja davon, dass immer neues Geld von weiteren Rentnern reinkomme. Die Angeklagte nickt: "Das klingt nach Schneeballsystem, ist aber keins." Auch sei einigen Senioren durchaus bekannt gewesen, dass es neben Immobilien "auch andere Kapitalanlagen gab", verteidigt sich Heike K. Allerdings sei die Kartbahn "nicht speziell" erwähnt worden, fügt sie etwas zaghafter hinzu.

Von diesem Projekt sei ihr gegenüber jedenfalls nichts erwähnt worden, betont Zeugin Ruth T. Die Angeklagte habe ihr vielmehr von Objekten für betreutes Wohnen erzählt. "Ich fühlte mich bei ihr gut aufgehoben, besser konnte es gar nicht gehen." Nach und nach habe Heike K. sie überredet, ihr gesamtes Vermögen von mehr als 200 000 Euro in ihr Unternehmen zu investieren. Zudem habe sie auf Drängen der 43-Jährigen diverse Vollmachten unterschrieben. Nach diesen Vollmachten, wundert sich der Vorsitzende Richter, "dürfen Sie ja kaum ohne ihre Erlaubnis auf die Straße gehen". Auch wegen eines Beleg für eine Spende über 45 000 Euro für eine Kartbahn sei sie "überrascht", sagt die Zeugin. "Ich weiß nicht, wie meine Unterschrift da raufkommt. Sonst habe ich höchstens mal 40 Euro für die Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger gespendet." Sie schätze das durchaus so ein, betont die Zeugin auf Nachfrage eines Verteidigers, dass die Angeklagte sie "absichtlich betrogen hat. Wo ist denn das Geld, dann soll sie es rausgeben!"

Ähnlich mag auch ein 92-Jähriger gedacht haben, der sich seinerzeit an einen Anwalt wandte. Der Mann habe gesagt: "Ich will mein Geld zurück", erzählt der Anwalt des Senioren jetzt im Prozess als Zeuge. Später sei die wegen Beihilfe zum Betrug angeklagte 58-Jährige in seiner Kanzlei aufgetaucht und habe ihre Unschuld beteuert. Alles sei die Idee der Hauptangeklagten gewesen, habe die Frau betont. Auch die Investition in die Kartbahn sei allein auf Initiative von Heike K. getätigt worden. "Die wollte wohl aus ihrem Sohn einen zweiten Michael Schumacher machen." Der Prozess wird fortgesetzt.