Es wirkt paradox: An den Tankstellen steigen die Spritpreise dieser Tage erneut auf Rekordhöhen. Doch zeitgleich verkündet Shell, einer der führenden Öl- und Kraftstoffkonzerne der Welt, dass die Spritproduktion in der Raffinerie Hamburg-Harburg aufgegeben werden soll. Einen Käufer für die Anlage hat Shell bislang nicht gefunden. Nun stehen 300 von 550 Arbeitsplätzen infrage.

Ein Konzern wie Shell kalkuliert in internationalen Maßstäben. Der Sprit in Deutschland und in anderen europäischen Ländern wird aus unterschiedlichen Gründen teurer - gleichwohl gibt es in Europa zu viel Erzeugungskapazität für Autokraftstoffe.

Gutes Geld verdienen die Energiemultis vor allem mit Großanlagen, die für den Weltmarkt produzieren. Je höher der Durchsatz, desto größer die Gewinnspanne. Europa aber verliert als Benzinmarkt an Bedeutung, weil die Autos immer sparsamer werden. Zugleich wurden und werden speziell in Asien neue Riesenraffinerien gebaut, um den weltweit noch immer wachsenden Spritbedarf zu decken.

Für die Beschäftigten, die um ihre Arbeitsplätze bei Shell in Harburg fürchten müssen, ist das kein Trost. In vielen Branchen geht es längst nicht mehr um Qualität und Engagement der Arbeitnehmer vor Ort. Fertigungsstätten werden nach der Logik global agierender Unternehmen gebaut und geschlossen. In der Benzinbranche, die ja in Deutschland nach wie vor fest verwurzelt ist, wurde dieser Zusammenhang in der Vergangenheit nicht ganz so deutlich wie etwa bei der Fertigung von Elektronikprodukten oder in der Textilwirtschaft. Jetzt müssen auch die Menschen bei Shell diese schmerzhafte Lektion lernen.