Hamburg, Europas Umwelthauptstadt. Kaum jemand nimmt Katastrophen wie die gigantische Zerstörung der Regenwälder noch wahr, beklagt der Forscher

Das Jahr 2010 hatte in Deutschland einen kalten Start. Schon tönten die Klimaskeptiker, dass die globale Erwärmung nur eine Erfindung sei. Tatsächlich jedoch war der letzte Winter im weltweiten Durchschnitt einer der wärmsten überhaupt; und das Jahr 2010 schickt sich an, das wärmste Jahr seit 1850 zu werden. Die globale Erwärmung findet statt, auch wenn uns die natürlichen Klimaschwankungen hin und wieder den Blick auf sie für kurze Zeit verstellen. Das Klimaproblem ist drängender denn je. Ein Blick auf die schwindenden Eismassen der Arktis genügt.

Im Frühjahr begann die gut drei Monate lange Geschichte des bisher größten Ölunfalls. Monatelang ergossen sich täglich zwischen 5000 und 10 000 Tonnen Öl in den Golf von Mexiko. Es erreichte einige Wochen nach der Explosion der Bohrinsel Deepwater Horizon die einzigartigen und artenreichen Naturschutzgebiete des Mississippideltas. Die gigantische Ölpest hat uns zum wiederholten Mal vor Augen geführt, dass die kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen stets Vorrang gegenüber den Belangen der Umwelt haben.

Außerdem ist es geradezu erschreckend, dass niemand auf den Unfall vorbereitet schien. Und mehr noch, selbst während Tausende Tonnen Öl Tag für Tag austraten, konnte man den Eindruck gewinnen, dass nicht wirklich alles getan wurde, um die Ölpest zu stoppen. Hatte nicht gerade der Ölkonzern BP mit dem Slogan "Beyond Petroleum" geworben. Und hatte nicht auch jener Konzern immer wieder Fernsehspots geschaltet, die den Anschein erweckten, BP sei die neue Umweltbewegung.

Der Unfall hat uns schonungslos die Augen für die Realität geöffnet: Erstens, die tief hängenden Früchte sind abgeerntet. Es wird immer risikoreicher, an die verbleibenden Ölreserven heranzukommen. Zweitens, nachhaltiges Denken, das Denken an die nachfolgenden Generationen, an den Erhalt der so günstigen Lebensbedingungen auf der Erde, gibt es in den Chefetagen vieler Unternehmen eben doch nicht, trotz aller Imagekampagnen.

Den Sommer prägten vor allem zwei Wetterkatastrophen: die extremen Waldbrände in Russland und die sintflutartigen Monsunniederschläge in Pakistan. Die Brände in Russland hatten ihre Ursache in der Kombination von wochenlanger extremer Hitze und Trockenheit. Kein Tag, an dem die Medien nicht über die verheerenden Brände berichtet hätten. Bilder von Menschen auf den Straßen Moskaus mit Gasmasken, die sich vor dem beißenden Rauch schützten, oder zerstörter Gebäude im Umland der russischen Hauptstadt gingen um die Welt. Sicher, es handelte sich um eine Tragödie für viele Menschen.

Vergessen scheint jedoch schon lange, zu lange, dass auf unserem Globus täglich viel größere Flächen in Flammen stehen, die tropischen Regenwälder. Kaum jemand nimmt diese gigantische Umweltzerstörung überhaupt noch wahr. Globaler Klimaschutz wie auch der Schutz der Arten fängt bei der Rettung der Regenwälder an.

Während in Russland die Brände wüteten, suchten Pakistan rekordverdächtige Regenfälle heim, die weite Teile des Landes unter Wasser setzten. Es gab über eintausend Tote, noch mehr Verletzte und zig Millionen Obdachlose zu beklagen. Sicher, es handelte sich um eine Naturkatastrophe. Das Risiko, dass sich Überschwemmungen infolge eines ungebremsten Klimawandels häufen werden, besteht jedoch.

Um diesen zu verhindern, hatten sich im Dezember im mexikanischen Cancún Vertreter von über einhundert Staaten auf der jährlichen Weltklimakonferenz versammelt. Das Medienecho auf das dürftige Ergebnis war durchweg positiv. Man sprach von einem Fortschritt im Kampf gegen die Erderwärmung und dass der Klimagipfel alle Erwartungen übertroffen hätte. Verbindliches war wie jedes Jahr leider nicht zu vermelden. Und täglich grüßt das Murmeltier. Man hatte "zur Kenntnis genommen", dass die Erderwärmung um nicht mehr als zwei Grad bis 2100 gegenüber der vorindustriellen Zeit steigen soll. Vor dem Hintergrund rapide wachsender weltweiter Kohlendioxidemissionen - allein seit 2000 sind sie um 30 Prozent gestiegen - ist das viel zu wenig.

Die Politik ist die Meisterin der Wortakrobatik. Bereits 1992 hatten sich die Staaten im Rahmen der Uno-Klimarahmenkonvention von Rio de Janeiro darauf verständigt, einen "gefährlichen" Klimawandel zu vermeiden, mit anderen Worten, sie hatte damals schon das Zwei-Grad-Ziel formuliert, aber nicht so genannt. Die Umwelt hat auch im Jahr 2010 verloren.