Das ist eine erfreuliche Nachricht: Hamburg ist zur europäischen Umwelthauptstadt gewählt worden! Das wird gefeiert, das wird in die Stadtwerbung prominent eingebunden - alles sehr verständlich. Diese Wahl verpflichtet jedoch in besonderer Weise, nicht nur stolz zurückzublicken, sich anerkennend auf die Schulter zu klopfen, sondern vielmehr dieses Jahr intensiv zu nutzen, in Hamburg eine Vielfalt von kleineren und größeren Belegen dafür zu starten und zu schaffen, die den Titel einer Umwelthauptstadt für Hamburg selbst zukunftsfähig macht.

Ideen und Taten sind gefragt, die belegen, dass die Stadtentwicklung nachhaltig gedacht wird. Wirtschaftliche Stabilität zu verbinden mit der Vielfalt der Natur und diese wirtschaftlichen Chancen zu nutzen für soziale Stabilität und die Integration aller Bürgerinnen und Bürger in einer weltoffenen Metropole - dies zu erreichen ohne Zerstörung der Natur, ohne Abwälzung von Wohlstandskosten über die vielfältigen Belastungen der Luft, der Atmosphäre, des Klimas, der Flüsse und Meere - dies ist das Kriterium für den Erfolg einer europäischen Umwelthauptstadt!

Ein Erfolg kann weitreichende Auswirkungen haben auf die nachhaltige Entwicklung in der globalisierten Welt, die in ein "urbanes Jahrtausend" eingetreten ist. Es leben bereits mehr als 50 Prozent der Weltbevölkerung in Städten, in urban geprägten Ballungsräumen und Agglomerationen. In der Mitte dieses Jahrhunderts werden es etwa 70 Prozent der dann gut neun Milliarden Menschen sein, sechs Milliarden "Städter", so viel wie etwa gegenwärtig auf dieser Welt leben. Städte werden entscheidend für eine Entwicklung sein, die das friedliche Zusammenleben ermöglicht, die soziale Gräben und massive Wohlstandsunterschiede abbaut, ohne die Natur zu zerstören. Die Weltausstellung Expo 2010 in der hamburgischen Partnerstadt Shanghai stand unter dem Motto: "Better city - better life". Nachhaltig kann diese urbane Gesellschaft nur dann sein, wenn sie endlich die Wegwerfmentalität rigoros überwindet und in allen Bereichen wieder Kreisläufe schließt. Das Motto sollte lauten: "Schluss mit dem Abfall!"

Was werfen wir nicht alles weg, was vergeuden wir nicht alles. 20 Millionen Tonnen Nahrungsmittel werden in Deutschland weggeworfen - pro Jahr! Gleichzeitig importieren wir Agrarprodukte, deren Erzeugung über 30 Millionen Hektar Fläche nicht zuletzt in Entwicklungsländern, in denen nach wie vor Hunger herrscht, in Anspruch nimmt. Wir werfen Energie weg, wenn wir uns Wirkungsgrade bei Kraftwerken leisten, die bestenfalls 50 Prozent der eingesetzten Primärenergie nutzen. 50 Prozent sind "Abfall". Wir werfen Natur weg. Die Liste der vom Aussterben bedrohten Arten wird länger und länger, makabre Buchhaltung von Wegwerfnatur. Meere werden überfischt, die Atmosphäre als Abfalleimer von Kohlendioxid und anderen klimawirksamen gasförmigen Stoffen missbraucht, überlastet. Überall das Prinzip Wegwerf, überall Kurzsichtigkeit und Kurzfristigkeit bei den Entscheidungen. Die Finanz- und Wirtschaftskrise ist ebenso ein Offenbarungseid der Kurzfristigkeit wie die Klima- und Umweltkrise. Auf Teufel komm raus wird spekuliert: auf Grundnahrungsmittel wie Getreide und Veredelungsprodukte. Spekuliert wird auf Böden, die angekauft werden in Afrika und anderen Entwicklungsländern.

Schluss mit dieser Wegwerfmentalität! Schluss mit verantwortungslosen Spekulationen! Verantwortung für die Zukunft, Absage an das Diktat der Kurzfristigkeit! Keine weitere ökologische und soziale Subvention mehr für unseren "Wohlstand", für das Wachstum des Bruttosozialprodukts. Diese Welt ist massiv geteilt. Einer jungen, weiter deutlich steigenden Bevölkerung, vor allem in Afrika und Indien, steht eine alternde, in Deutschland und anderen sogenannten "entwickelten Ländern" schrumpfende Bevölkerung gegenüber. Überernährung bei den einen, Unterernährung, ja Hunger bei den anderen. Zusammenarbeit ist zwingend geboten.

Kann Hamburg eine führende Rolle spielen in einem Netzwerk der großen Metropolen, die sich das Motto "Schluss mit der Wegwerfgesellschaft" glaubwürdig zu eigen machen? Die nicht mehr den Wohlstand ihrer Bürgerinnen und Bürger auf Kosten kommender Generationen, auf Menschen in den ärmsten Ländern, auf die Natur abwälzen; die die Ursachen von Klimawandel, weiterer Zerstörung der Schöpfung und der Ausbeutung der Ozeane kategorisch beenden, die ihren "ökologischen Fußabdruck" ehrlich berechnen und sich vornehmen, diesen Fußabdruck mit einem klaren Zeitplan und konkreten, nachprüfbaren Maßnahmen systematisch zu verkleinern.

Keine abgeschlossene, zum frühzeitigen Feiern geeignete Entscheidung also, die Umwelthauptstadt Europas zu sein. Daraus erwächst viel Verantwortung in diesem Jahr und darüber hinweg. Gerade in einer in ihrer Tradition so weltoffenen, so grenzenlos denkenden Hansestadt, wie es Hamburg ist.