Der Gesuchte, der das Findelbaby Marie vor dem CCH aussetzte, ist auf Überwachungskameras vom Bahnhof Dammtor sehr gut zu erkennen.

St. Pauli. Der Fall des Findelbabys Marie hat eine unerwartete Wendung erhalten. Die Ermittler gehen davon aus, dass ein junger Mann den Koffer vor dem Lieferanteneingang des Congress Centers Hamburg (CCH) abgelegt hat - und nicht etwa die Mutter, wie anfangs vermutet. Das schließen die Kripobeamten aus sichergestellten Videobildern einer Überwachungskamera am nahe gelegenen Bahnhof Dammtor. Polizeisprecher Holger Vehren: "Wir haben eine heiße Spur."

Laut Polizei sei der Mann sehr gut zu erkennen. Es ist zu sehen, wie er die S-Bahn am Dienstag um 15.01 Uhr mit einem Rollkoffer der Marke Omica verlässt. Darauf sei der markante Delfin mit Krone zu erkennen. Wie berichtet, hatten die Ermittler herausgefunden, dass der Koffer nur zwischen 15 und 17 Uhr hatte abgelegt werden können. Der junge Mann nahm den Treppenabgang in Richtung CCH und bog unten in die Tiergartenstraße ab. "Der Koffer, die Richtung und der Zeitpunkt legen nahe, dass es sich bei der gesuchten Person um diesen jungen Mann handelt", so Polizeisprecher Vehren.

Mit diesen Erkenntnissen hat sich nicht nur die Fahndung nach der gesuchten Person verändert. Nun erwartet den mutmaßlichen Kofferableger möglicherweise auch eine härtere Strafe. Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts der Aussetzung. Die Höchststrafe darauf beträgt zehn Jahre. In ähnlichen Fällen haben Frauen, die ihr Kind kurz nach der Geburt ausgesetzt oder sogar getötet haben, vergleichsweise milde Urteile erhalten. Diese wurden damit begründet, dass sich die Mütter in psychischen Ausnahmesituationen befunden haben. Ob dieser Umstand auch bei dem nun gesuchten Mann zugrunde liegt, scheint zum jetzigen Zeitpunkt zumindest fragwürdig.

In welchem Verhältnis er zu der Mutter von Marie steht, ist bislang völlig unklar. Sicher ist nur, dass der Gesuchte am Hauptbahnhof in die S-Bahn eingestiegen ist und lediglich eine Station mit der S-Bahn fuhr. Auch das ist auf den Videos zu sehen.

Fotos kann die Polizei bislang noch nicht veröffentlichen, obwohl der gesuchte junge Mann darauf sehr gut zu erkennen ist. Da die Veröffentlichung ein großer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte ist, darf die Polizei mit den Fotos zunächst nur intern fahnden. Das bedeutet, dass alle Polizeiwachen Kopien erhalten. Sollte der Mann polizeibekannt sein, würde er womöglich wiedererkannt. Erst dann, wenn diese Maßnahme keinen Erfolg hat, könnte überhaupt ein Foto veröffentlicht werden. Voraussetzung dafür ist, dass ein Richter den Tatverdacht als ähnlich hinreichend einschätzt wie die Staatsanwaltschaft, die einen entsprechenden Antrag aufgrund der Ermittlungen der Polizei stellen würde.

Um eine Veröffentlichung der Fotos zu vermeiden, rät die Polizei dem gesuchten Mann, sich zu stellen. "Sofern er sich nicht bis Sonnabend persönlich im Polizeipräsidium oder telefonisch unter der Rufnummer 428 67 41 20 gemeldet hat, ist die Polizei gezwungen, eine Öffentlichkeitsfahndung nach dem mutmaßlichen Kofferableger in die Wege zu leiten", sagt Polizeisprecher Holger Vehren.

Unterdessen hat Habib Naji, der CCH-Pförtner, der die kleine Marie am Dienstag in dem Koffer entdeckt hatte, das Mädchen im Altonaer Kinderkrankenhaus besucht. "Ich habe sie im Arm gehalten. Ich bin heilfroh, dass ich sie noch rechtszeitig gehört habe", sagte er gestern. Wie berichtet, hatte ihn ein Passant auf den herrenlosen Rollkoffer aufmerksam gemacht. Den Koffer verwahrte der 60-Jährige zunächst in einem Nebenraum seiner Pförtnerloge. Erst gut zwei Stunden später wurde er auf Maries Wimmern aufmerksam.

Die Ärzte sind mit ihrer Entwicklung zufrieden. "Es wird aber noch etwa eine Woche dauern, bis es zu einer kontinuierlichen Gewichtszunahme kommt", sagt Krankenhaussprecher Rainer Süßenguth. "Erst dann kann Marie das Krankenhaus verlassen."