Dr. Thilo Weichert, 55, ist seit 2004 schleswig-holsteinischer Beauftragter für Datenschutz.

Hamburger Abendblatt:

1. Beim sogenannten Zensus, also der Volkszählung 2011, werden sehr persönliche Auskünfte verlangt: Müssen Bürger Sorge um ihre Daten haben?

Thilo Weichert:

Der Gesetzgeber und die Statistikämter haben ihre Lektion aus den teils gescheiterten und teils boykottierten Volkszählungen in den 80er-Jahren gelernt. Das Bundesverfassungsgericht hat klare Vorgaben gemacht, deren Einhaltung von uns Datenschutzbeauftragten überprüft wird. Insofern haben wir ein geregeltes Verfahren, das im Prinzip in Ordnung ist. Das schließt nicht völlig aus, dass es bei den Erhebungsbeauftragten, bei den Erhebungsstellen oder bei den Statistikämtern zu Verstößen und zum Missbrauch kommt.

2. Warum muss der Staat überhaupt wissen, ob man in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt oder woher die Eltern stammen, wenn ein Migrationshintergrund besteht?

Weichert:

Unser Sexualleben geht Statistiker nichts an. Weshalb der Migrationshintergrund so wichtig ist, muss der Gesetzgeber, der das wissen möchte, beantworten. Die meisten anderen Fragen sind von der EU vorgegeben.

3. Viele Bürger reagieren überrascht auf die ersten Anschreiben des Zensus. Ist die Volkszählung gut vorbereitet worden?

Weichert:

Hierüber kann man zweifellos geteilter Meinung sein. Wir sind aber erst am Anfang. Die Statistiker haben nicht ganz zu Unrecht Angst vor einer Wiederholung des Mediendesasters der 80er-Jahre. Deshalb ist möglichst viel Transparenz nötig. Wir Datenschützer wollen unseren Beitrag dazu leisten.

4. Welche Beanstandungen gibt es aus Sicht des Datenschutzes am Zensus?

Weichert:

Eine nicht berücksichtigte Forderung von uns Datenschützern ist, dass Melderegistersperren, etwa von gestalkten Frauen, für die es regelmäßig gute Gründe gibt, zumindest bei der Stichprobenerhebung nicht berücksichtigt werden. Generell haben wir Datenschützer aber Gesetzgebung und Umsetzung beratend begleitet und wurden gehört, sodass eigentlich nichts völlig schieflaufen sollte.

5. Was passiert denn nach der Zählung mit den gesammelten Daten?

Weichert:

Sobald die Auskunftserteilung und deren Plausibilität festgestellt wurden, werden die Hilfsmerkmale gelöscht, das heißt, die Datensätze werden anonymisiert. Eine Nutzung für Verwaltungszwecke ist absolut verboten. Das Statistikgeheimnis sollte ausschließen, dass auch ansonsten Datenlecks auftreten. Die Veröffentlichung der Ergebnisse darf nur in zusammengefasster Form erfolgen; sie ist also anonym.