Prozess: Zwei Jugendliche sollen den Mann fast totgetreten haben

Neustadt. Unvermittelt steht der 43-Jährige auf, humpelt wortlos aus dem Gerichtssaal - in diesem Moment ist Thorsten L. alles zu viel. Als eine Augenzeugin sehr plastisch schildert, wie übel ihn zwei Jugendliche zurichteten und wie einer von ihnen, der 17-jährige Mesut S., mit voller Wucht von oben auf seinen Kopf eintrat. "Ich dachte, er hätte seinen Schädel zertrümmert", sagt Irina D. vor dem Landgericht aus.

Die zwei türkischstämmigen Jugendlichen sind seit Dienstag wegen versuchten Totschlags angeklagt. Am 5. Juni sollen Mesut S., 17, und Zana D., 19, betrunken und völlig grundlos drei Männer angegriffen und Thorsten L. beinahe totgetreten haben. Gestern berichteten drei Zeugen vom Gewaltexzess im und am Harburger Fußgängertunnel unter der B 73.

Seit einem Schlaganfall vor einigen Jahren ist Thorsten L. halbseitig gelähmt. Der 43-Jährige war aber so weit wiederhergestellt, dass er den Haushalt ohne Hilfe bewältigen konnte - daran ist seit der Attacke nicht mehr zu denken. "Es ist entwürdigend", sagt er, "wenn ich meinen Nachbarn bitten muss, mir die Schuhe zuzubinden."

Offenbar waren die betrunkenen Jugendlichen an jenem Abend nur auf Randale aus. Zana D. habe mit prahlerisch hochgezogenem T-Shirt Passanten zum Kampf aufgefordert, sagt Irina D. Nach einer Attacke auf einen Radfahrer sei der junge Mann auf ihren Lebensgefährten losgegangen. Der Banker Jürgen D., 44, sagt, er sei erst bepöbelt worden. Dann habe Zana D. versucht, ihn mit einem Karatetritt zu treffen. "Er streifte mich aber nur." Er habe jedoch von ihm abgelassen, als ihn sein Kumpel Mesut S. beschwichtigt habe. Dann sei Zana D. schon auf sein nächstes Opfer zugesteuert: Thorsten L., der gerade vom Binnenhafenfest kam. "Der hatte nichts gemacht, überhaupt nichts", sagt Jürgen D. Ohne jeden Anlass habe ihn der 19-Jährige niedergeschlagen. "Der Mann fiel um wie ein Baum, der Junge trat daraufhin gegen seinen Oberkörper", sagt er. Ausgerechnet Mesut S., der vorher noch versucht habe zu schlichten, habe ohne zu zögern von oben auf den Kopf des bewusstlos am Boden liegenden Mannes getreten. Erst mehreren Zeugen gelang es, die Jugendlichen von ihrem Opfer zu trennen.

Thorsten L. hat kaum Erinnerungen an die Tat. Die Folgen sind dramatisch. "Ich wache jeden Morgen mit Kopfschmerzen auf", sagt er. Seine Spastik sei schlimmer geworden, sein gebrochenes Gesicht schief zusammengewachsen. Und das Risiko eines weiteren Schlaganfalls deutlich erhöht. Der Prozess wird fortgesetzt.