Sogar Deutschland könnte von gemeinsamen Staatsanleihen mit noch höher verschuldeten Euro-Ländern profitieren, meint der Wirtschaftsexperte

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat kürzlich auf dem EU-Gipfel in Brüssel durchgesetzt, dass der im Juni 2013 auslaufende Rettungsschirm von 750 Milliarden Euro für Not leidende Mitglieder der Euro-Zone durch einen permanenten "Stabilitätsmechanismus" abgelöst wird. Er tritt in Aktion, wenn die Stabilität der Euro-Zone "als Ganzes" gefährdet ist, und gewährt Not leidenden Euro-Staaten Finanzhilfen, die an strenge - allerdings noch festzulegende - Bedingungen geknüpft werden. Dies ist ein lobenswerter Schritt in Richtung Euro-Stabilisierung, zumal private Gläubiger ab 2013 das Risiko von Staatskrediten mittragen sollen.

Leider hat aber das momentan drängendste Problem in der Euro-Zone in den Brüsseler Beschlüssen keinen Niederschlag gefunden: Wie können wir den Euro bis zum Inkrafttreten des permanenten Stabilitätsmechanismus im Juni 2013 stabilisieren und so vor der Währungsspekulation schützen?

Die meisten Ökonomen gehen davon aus, dass der 750-Milliarden-Euro-Rettungsschirm zwar für kleinere Länder reicht, jedoch an seine Grenze stößt, wenn ein Land wie Spanien oder Italien Hilfe benötigt. In diesem Fall ist damit zu rechnen, dass die Spekulation gegen den Euro auflebt und wie bei Griechenland und Irland zuschlägt. Weder die Bundesregierung noch andere europäische Institutionen haben erklärt, wie sie das abwehren würden.

Diese Position der Schwäche wird der Kapitalmarkt nicht zweieinhalb Jahre ungestraft durchgehen lassen, sodass ein permanentes Risiko für den Euro bis 2013 bleibt. In dieser prekären Situation ist es unerlässlich, auch umstrittene Instrumente zur Euro-Stabilisierung zu prüfen. Eines ist die EU-Anleihe, auch Euro-Bond genannt.

Das sind Staatsanleihen, die von den Ländern der Euro-Zone gemeinsam ausgegeben werden und für die diese gemeinsam haften. Der Zinssatz einer solch langfristigen Anleihe läge vermutlich in der Mitte der heutigen Zinssätze der einzelnen Euro-Länder, etwa bei 3,8 Prozent und damit zum Beispiel 1,2 Prozentpunkte höher als der deutsche Zinssatz von 2,6 Prozent.

Viele Ökonomen sowie die Regierung lehnen Euro-Anleihen vehement mit folgender Begründung ab: Die gesunden, weniger verschuldeten Staaten müssen bei einer gemeinsamen Anleihe höhere Zinsen zahlen, während die hoch verschuldeten Staaten mit geringerer Last davonkommen. Das ist ungerecht und vermindert den Sanierungsdruck. Speziell für die Bundesrepublik bedeutet die Zinsdifferenz von 1,2 Prozent bei einer Gesamtverschuldung von 1,7 Billionen Euro gut 20 Milliarden Euro höhere Zinsen pro Jahr.

Diese Nachteile werden jedoch von drei Vorteilen deutlich übertroffen, sodass ich - trotz anfänglicher Skepsis - für Euro-Anleihen plädiere.

Vorteil Nr. 1:

Erstens hätte ein gemeinsamer europäischer Markt für Staatsanleihen ein riesiges Volumen von über 7000 Milliarden Euro und wäre fast so groß wie der US-Staatsanleihen-Markt, dessen Liquidität am größten ist. Liquide Märkte ziehen viel Kapital an, weil die Anleger den Markt schnell wieder verlassen können und so flexibel bleiben. Diese Flexibilität könnte das Zinsniveau in der Euro-Zone gegenüber heute um etwa ein halbes Prozent senken, sodass unsere deutsche Zinsbelastung fast halbiert würde.

Vorteil Nr. 2:

Zweitens wären einzelne hoch verschuldete Euro-Staaten nicht mehr direkt angreifbar, was die Spekulation gegen den Euro erheblich erschweren und Europa gegenüber den USA und Asien stärken würde. Dies könnte den Euro deutlich stabilisieren.

Vorteil Nr. 3:

Drittens sollten wir bedenken, dass Deutschland wegen seiner hohen Exporte in die Euro-Zone und der engen europäischen Verflechtungen seiner Banken in finanzielle Turbulenzen hineingezogen würde und für insolvente Partnerländer finanziell in erheblichem Ausmaß einstehen müsste. Unter dem Aspekt wäre die zusätzliche deutsche Zinsbelastung von gut zehn Milliarden bei Einführung der Euro-Anleihen das bei weitem kleinere Übel.