Christoph Schickhardt, 55, berät als Sportjurist zahlreiche Profiklubs.

1. Hamburger Abendblatt:

Der ehemalige Profi des FC St. Pauli, Rene Schnitzler, hat zugegeben, 100 000 Euro von der Wettmafia erhalten zu haben. Im Gegenzug sollte er Spiele manipulieren. Steht die Bundesliga vor einem neuen Wettskandal?

Christoph Schickhardt:

Nein, hier handelt es sich um einen erschütternden Einzelfall. Die Bundesliga an sich ist sauber. Auch die Frühwarnsysteme, die etwa bei einem Spiel anschlagen, auf das besonders hohe ungewöhnliche Wetten platziert werden, funktionieren. Gefährdeter sind eher die unteren Klassen. Wenn die Gehälter deutlich niedriger sind, ist die Bereitschaft naturgemäß höher, etwas Kriminelles zu riskieren. Zudem gelten bestimmte Spieler-Typen als anfällig, etwa die, die durch ständige Vereinswechsel kaum sozial vernetzt sind oder gar ein Suchtproblem haben.

2. Schnitzler war nach eigenen Angaben über Jahre spielsüchtig. Sucht sich die Wettmafia gezielt solche Profis aus?

Schickhardt:

Eindeutig ja! Diese kriminellen Organisationen haben ein untrügliches Gespür für labile Spieler. Ich sehe auch die Vereine in der Pflicht. Otto Rehhagel, der ehemalige Werder-Meistertrainer, wusste sogar, wo seine Spieler tanken. Ich kann die Umstände dieses Einzelfalls nicht beurteilen. Aber es kann nicht sein, dass ein Profi über einen so langen Zeitraum zockt und dies niemand mitbekommt oder mitbekommen will. Spielsucht ist eine Krankheit, die therapiert werden muss. Hier geht es um die Fürsorgepflicht des Vereins gegenüber seinen Angestellten.

3. Sollten die Vereine ihren Profis den Besuch von Spielkasinos verbieten?

Schickhardt:

Ja, Profis, die ja auch eine Vorbildfunktion haben, haben in solchen Etablissements nichts verloren. Dazu gehören auch barähnliche Betriebe oder andere Kaschemmen. Das sind letztlich Horte der Kriminalität.

4. Halten Sie denn die Strafen für Wettbetrüger bei uns für hart genug?

Schickhardt:

Wer erwischt wird, riskiert seine gesamte bürgerliche Existenz. Die Schadenersatzforderungen von Vereinen oder Lotto/Toto können ruinös sein. Von der fristlosen Kündigung und dem Entzug der Profi-Lizenz ganz zu schweigen. Hinzu kommt ein strafrechtliches Verfahren.

5. Wie groß ist der Imageschaden für den Fußball durch solche Vergehen?

Schickhardt:

Wirklich fatal wäre der Versuch, jetzt Spielszenen nach einem möglichen Manipulationsverdacht zu sezieren. Einen Torwart zu verdächtigen, er habe absichtlich danebengegriffen, ist zutiefst unanständig. Dies kann diesen wunderbaren Sport vergiften. Der Fußball lebt nun mal von Fehlern.