Ein Kommentar von Kai-Hinrich Renner

Man möchte nicht in der Haut von ARD-Programmdirektor Volker Herres stecken. Er hat eine Bilanz zu verantworten, die der Mediendienst "Kress" "bitter" und "demütigend" nennt. Denn das Erste hat im vergangenen Jahr erstmals seit 2003 weniger Zuschauer als RTL gehabt.

Ist das schlimm? Für Herres schon. Ihm sind Quotenerfolge wichtig. Dass es dem Ersten trotz Fußball-WM und des vom Lena-Hype beflügelten Eurovision Song Contests nicht gelungen ist, RTL hinter sich zu lassen, muss ihm wehtun.

Dem Zuschauer kann das egal sein. Von Rechts wegen ist die ARD ohnehin nicht der Quote, sondern der Grundversorgung verpflichtet. Und wenn er seinen öffentlich-rechtlichen Programmauftrag halbwegs erst nimmt, darf der Senderverbund gar nicht erst versuchen, mit RTL auf den Sendeplätzen gleichzuziehen, die ihm 2010 die Quotenkrone kosteten.

Der Kölner Privatsender ist vor allem nachmittags stark. Dann zeigt er Krawallserien wie "Mitten im Leben", die im Unterschichtenmilieu spielen und als Dokumentationen daherkommen. Tatsächlich wird dort aber nach Drehbuch gepöbelt. Mit "Scripted Reality", wie dieses Format in der Branche heißt, hat auch schon der NDR geliebäugelt. Nach öffentlichen Protesten ist er davon wieder abgekommen. Denn die Quote darf für einen öffentlich-rechtlichen Sender nicht das Maß aller Dinge sein. Auch nicht für die ARD.