Ein Kommentar von Kai-Hinrich Renner

Es ist mittlerweile traurige Routine: Zum Jahresende gibt die Organisation Reporter ohne Grenzen bekannt, wie viele Journalisten bei der Ausübung ihres Berufs in den vergangenen zwölf Monaten getötet und entführt wurden. 2010 bezahlten 57 Reporter ihren Job mit ihrem Leben. Das sind zwar 19 weniger als 2009. Die Zahl der entführten Journalisten war mit 51 aber höher denn je. Oft stecken organisierte Kriminelle und Milizen dahinter. Journalisten werden nach Angaben von Reporter ohne Grenzen "zunehmend als eine Art Verhandlungsmasse betrachtet". Unter Verfolgung leiden aber auch Blogger und Internetaktivisten.

Besonders besorgniserregend ist, dass Journalisten auch dort bedroht werden, wo man es nicht erwartet: Zwei von ihnen wurden in EU-Ländern getötet. In Griechenland erschossen vermutlich Linksextremisten einen Radiochef. In Lettland wurde ein Zeitungsherausgeber getötet.

Mit dem Respekt vor der Pressefreiheit scheint es in Europa in letzter Zeit ohnehin nicht mehr weit her zu sein. In Ungarn, ebenfalls ein Mitgliedstaat der EU, hat die rechtspopulistische Regierung ein Gesetz verabschiedet, das es ihr ermöglicht, die Medien des Landes zu gängeln. Schwer zu sagen, was erschreckender ist: das neue Gesetz oder die nur sehr moderaten Proteste der übrigen EU-Mitglieder gegen die Verordnung. 2010 war in jeder Hinsicht ein schlechtes Jahr für die Pressefreiheit.