Sven Hannawald, 36, gewann 2001/02 alle Springen der Tournee.

Hamburger Abendblatt:

1. Erstmals galt in Oberstdorf bei einem Springen der Vierschanzentournee das neue Wertungssystem, das den Faktor Wind einbezieht. Haben Sie die Bewertung nachvollziehen können?

Sven Hannawald:

An der Schanze selbst war dies sicher schwieriger als im TV, wo die Wertung sofort transparent wird. Das neue System ist bestimmt fairer, weil es auch die Wetterbedingungen berücksichtigt. Andererseits ist es jetzt für die Fans komplizierter geworden. Es gilt nun nicht mehr, dass derjenige, der am weitesten springt, auch gewinnt, was ich gerade bei einer Freiluftsportart schade finde. Ob dies die Begeisterung auf Dauer dämpfen wird, kann man seriös noch nicht einschätzen. Hier in Oberstdorf war die Stimmung auf jeden Fall top.

2. Sie haben vor neun Jahren als erster und bislang einziger Athlet alle vier Springen gewonnen. Eine historische Leistung. Ist es nun wahrscheinlicher geworden, dass dies wieder jemandem gelingt?

Hannawald:

Auf jeden Fall. Früher konnte ein plötzlich drehender Wind den Siegtraum zerstören. Diese direkte Abhängigkeit vom Wetter gilt jetzt nicht mehr. Dies spricht auch für Thomas Morgenstern, der derzeit in einer sensationellen Form ist. Ich hoffe natürlich dennoch, dass mein Rekord möglichst lange Bestand haben wird. Aber ich werde meinem Nachfolger selbstredend sofort gratulieren. Und den Fakt, dass ich es als Erster geschafft habe, kann mir ohnehin niemand mehr nehmen. Den zweiten Mann auf dem Mond kennt ja auch kaum jemand.

3. Warum tun sich die deutschen Springer so schwer?

Hannawald:

Nach den großen Erfolgen hat man sich zu sehr ausgeruht. Es wurde zu wenig investiert. Zudem gab es Probleme, sich den Regeländerungen wie etwa der Beschränkung der Anzuggröße anzupassen. Aber der Auftakt in Oberstdorf macht mir Hoffnung. Mit zwei Deutschen unter den Top Ten konnte man nicht unbedingt rechnen. Und eine konstant gute Mannschaftsleistung ist die Basis, dass es mal jemand wieder ganz nach oben schafft.

4. Warum sind die Österreicher derzeit so dominant?

Hannawald:

Die Österreicher treiben sich schon im Training gegenseitig zu absoluten Höchstleistungen. In unserem Team sieht man dagegen erst im Wettkampf, wie weit die Weltspitze noch weg ist.

5. Wollen Sie einmal dazu beizutragen, dass das deutsche Team wieder die Erfolgsspur findet?

Hannawald:

Mittelfristig habe ich meine Herausforderung im Motorsport gefunden. Das macht mir großen Spaß. Schließlich hatte ich über Jahre ein extremes Leben. Was in weiter Zukunft einmal sein wird, kann ich nicht sagen.