Reederei-Chef Ottmar Gast will Personal einstellen. Die Firma steigert den Umsatz um 37 Prozent und lehnt eine Fusion mit Hapag-Lloyd ab

Hamburg. Der wirtschaftliche Aufschwung in diesem Jahr hat auch die Schifffahrt erreicht. Das Abendblatt sprach darüber mit Ottmar Gast, dem Chef der zweitgrößten deutschen Linienreederei Hamburg Süd. Der 58-Jährige steht seit Anfang 2009 als Nachfolger von Klaus Meves an der Spitze des Unternehmens. Die Reederei setzt 169 Schiffe ein, davon 39 eigene. Neben den 112 Containerfrachtern fahren 57 Massengutschiffe und Tanker, die gechartert sind. Diese Schiffe fahren nicht auf Linien, sondern übernehmen Transporte je nach der Auftragslage. Weltweit sind bei der Reederei, die zur Bielefelder Oetker-Gruppe gehört, 4850 Menschen beschäftigt. Dazu zählen auch 1270 Seeleute und 879 Mitarbeiter in der Zentrale in Hamburg.

Hamburger Abendblatt:

Herr Gast, wie fühlen Sie sich nach der schweren Krise der Containerschifffahrt und dem unerwartet schnellen Wiederaufschwung?

Ottmar Gast:

Inzwischen etwas entspannter. Allerdings haben wir uns lange gefragt, wie nachhaltig der Aufschwung wirklich ist. Die Erholung war zu schnell, sodass jetzt die Frachtraten sogar wieder leicht gesunken sind. Die Nachsaison hat dieses Jahr eher eingesetzt. Den Rückgang der Raten halten wir aber nicht für problematisch. Das Jahr war recht ordentlich.

Was bedeutet das konkret für die Reederei Hamburg Süd?

Gast:

Unsere Linienschifffahrt hat mit einem Plus von 22 Prozent auf 2,9 Millionen Standardcontainer (TEU) doppelt so stark zugelegt wie der Markt. Das Volumen ist sogar um 100 000 TEU höher als 2008. Der Umsatz liegt bei 4,4 Milliarden Euro und damit fast auf dem Niveau von 2008. Zum Vergleich: 2009 hatte er 3,2 Milliarden Euro betragen. 2010 ist eines der besten Jahre für Hamburg Süd. Nach den leichten Verlusten 2009 sind wir wieder deutlich in den schwarzen Zahlen und liegen beim Ertrag durch die Einsparungen in der Krise sogar besser als 2008.

Profitieren auch die Mitarbeiter von dem Aufschwung, nachdem im vergangenen Jahr das Weihnachtsgeld für jeden auf 500 Euro gekürzt wurde?

Gast:

Ja, wir haben einiges nachgeholt. Zum einen im April und Juli die ausgesetzten Gehaltserhöhungen um insgesamt 2,9 Prozent. Dazu gab es zu Weihnachten eineinhalb statt einem Monatsgehalt zusätzlich.

Schaffen sie nun auch neue Stellen?

Gast:

Das ist schon geschehen. In diesem Jahr rund 70 und im nächsten Jahr sollen weitere 50 folgen. Wir suchen unter anderem IT-Fachleute und Spezialisten für die Auftragsabwicklung bei den steigenden Containertransporten.

Reicht die Größe der Reedereizentrale für die Zukunft aus?

Gast:

In Hamburg haben wir jetzt ohne die Seeleute 879 Beschäftigte. Für einen Teil mussten in den vergangenen Jahren in der Stadt vermehrt zusätzliche Büros angemietet werden. Jetzt haben wir eine Lösung gefunden, wie die Belegschaft künftig in unserer erweiterten Zentrale in der Willy-Brandt-Straße konzentriert werden kann. Dazu haben wir zwei angrenzende Häuser gekauft, die wir abreißen und etwas höher wieder aufbauen. Die Zentrale selbst, die unter Denkmalschutz steht, wird modernisiert. Die Bauarbeiten werden wohl Anfang 2012 beginnen und etwa 60 bis 70 Millionen Euro kosten.

Bis Ende 2012 erhält Hamburg Süd noch acht der zehn bestellten Frachter mit jeweils 7100 Containereinheiten (TEU) Kapazität. Reicht das, oder muss wieder nachbestellt werden?

Gast:

Wir investieren weiter in eigene Schiffe. Erst vor zwei Monaten haben wir erstmals in China vier Frachter für je 3800 TEU bestellt. Jetzt wollen wir sechs weitere Schiffe kaufen, die noch größer werden sollen als die bisherigen. Wir reden mit Werften in Japan, China und Korea. Die endgültige Entscheidung soll Anfang 2011 fallen.

Wie viele der reedereieigenen Schiffe fahren unter deutscher Flagge?

Gast:

Etwa die Hälfte der 39 Containerfrachter, die Hamburg Süd gehören. Damit liegen wir deutlich über der mit der Bundesregierung vereinbarten Quote. Bei den von den Reedern zugesagten 600 Schiffen unter deutscher Flagge, müsste rein rechnerisch jede Reederei nur 20 Prozent ihrer Flotte unter Schwarz-Rot-Gold stellen. Es gibt aber leider diverse Unternehmen, die das nicht tun. Derzeit mögen einige aufgrund der Krise noch nicht in der Lage sein, die höheren Kosten unter anderem für die deutschen oder europäischen Führungskräfte zu tragen. Sie haben dies aber auch nicht getan, als sie im Boom viel Geld verdienten. Hamburg Süd fühlt sich dagegen verpflichtet, die Zusage der Branche einzuhalten.

In Brasilien wurde kürzlich die Eröffnung eines 300 Millionen Euro teuren Containerterminals gefeiert, an dem Hamburg Süd zu 30 Prozent beteiligt ist. Welche Strategie steckt dahinter?

Gast:

Wir wollen uns Kapazitäten bei der Abfertigung sichern, weil Hamburg Süd mit ihrer brasilianischen Tochter Alianca dort Marktführer ist. Wir würden massiv Geld verlieren, wenn unsere Schiffe nicht rechtzeitig abgefertigt werden könnten. Das Terminal in Itapoa soll im März in Betrieb gehen und ist zunächst auf einen Umschlag von 375 000 TEU ausgelegt.

Die TUI will sich von ihrem Anteil an Hapag-Lloyd genauso trennen wie offenbar auch einige Mitglieder des Konsortiums Albert Ballin. Gesucht werden strategische Partner oder Interessenten für den Aktienkauf. Schlägt jetzt doch noch die Stunde der Oetker-Gruppe?

Gast:

Aus heutiger Sicht wird es keine Fusion von Hamburg Süd und Hapag-Lloyd oder eine Beteiligung untereinander geben. Gerade die Krise hat uns gezeigt, dass es durchaus von Vorteil ist, keiner der ganz Großen in der Branche zu sein. Hamburg Süd ist als Reederei auf den Nord-Süd-Strecken sehr erfolgreich. Gerade weil wir rascher als Großreedereien reagieren und uns konsequenter auf unsere Fahrtgebiete konzentrieren können.

Welche Perspektiven sehen Sie für 2011?

Gast:

Das Jahr könnte ähnlich gut werden wie 2010. Kritisch ist vor allem, wie sich die Frachtraten entwickeln. Allerdings erwarten wir, dass schon im Frühjahr die Überkapazitäten bei der Tonnage weitgehend beseitigt sind. Wächst die Weltwirtschaft, getrieben vor allem durch China, um vier Prozent, dürfte das Volumen der Containertransporte um rund zehn Prozent zulegen.