Mit 69 Jahren verstarb der Mäzen, Investmentbanker und Netzwerker Claus Großner in Hamburg. Wer er wirklich war, erfuhren nur wenige.

Nienstedten. Sie liegt im Dunkeln, die weiße Villa an der Elbchaussee. Im Schnee vor dem gusseisernen Tor sind nur wenig Spuren zu sehen. Es ist ungewöhnlich still auf dem Gelände nahe Teufelsbrück. Hier, in dem "Grossforschungs- und Informationsbureau", wo sich sonst Politiker, Wissenschaftler und Künstler treffen, auf der Terrasse den Elbblick genießen und debattieren, ist längere Zeit kein Gast mehr gewesen. Denn es fehlt der Initiator.

Vor rund zwei Wochen, am 10. Dezember, verstarb, wie erst jetzt bekannt wurde, Claus Großner im Alter von 69 Jahren. Ein Mann, für den es viele Titel gab. Mäzen, Investmentbanker, Autor diverser "Spiegel"- und "Zeit"-Artikel, Kommunikator. Und Netzwerker. Das trifft es wohl am besten, hat er es doch wie kaum ein anderer verstanden, mehrmals im Jahr hochrangige Gäste in seiner Villa zu versammeln, sie miteinander bekannt zu machen, gemeinsam mit ihnen zukunftsträchtige Ideen zu entwickeln. Regisseur Christoph Schlingensief kam zu ihm, Unternehmer Michael Otto oder auch Marion Gräfin Dönhoff.

Es war die Denk-Elite der Republik, die sich da auf Veranstaltungen wie der Jumelage "Hamburg - Berlin", dem "Zukunfts- und Innovationsforum Nord" und der "Festa Europea" traf. Großner fungierte als der Mittler, als Drehscheibe. "Als wir von der Nachricht erfuhren, tat es mir und meinem Mann sehr leid", sagt Christl Otto. "Ein intelligenter Mensch, wir kannten ihn schon viele Jahre." Für sein unglaubliches Namensgedächtnis sei er bekannt gewesen, so Konzertveranstalter Karsten Jahnke. "Er behauptete, er habe 10 000 Namen im Kopf." Claus Großner - immer präsent. Und doch ein Unbekannter.

Verleger Klaus Schümann suchte über viele Jahre den "wahren Großner", wie er sagt. "Er war ein Genie auf seine Art und gleichzeitig ein Chaot." Ein gewöhnungsbedürftiger Mensch, der in keine Schublade gepasst habe. Einmal, erinnert sich Schümann, besuchte er gemeinsam mit seiner Frau Gisela eine Veranstaltung Großners. Sie räumte das Geschirr ab, woraufhin der Gastgeber sagte: "Stell es einfach in die Badewanne, ich dusche es nachher ab." Das sei sie halt gewesen, die ihm eigene Art.

Über sein Privatleben weiß man nur wenig. Er blieb kinderlos, war nie verheiratet. Zu Veranstaltungen kam er stets ohne Begleitung. Was für ihn zählte, war die Arbeit. "Für mich gibt es keine Differenz zwischen privat und Business", sagte er einmal dem Abendblatt.

Claus Großner reiste viel, stets mit seinen zwei Terminplanern im Gepäck, in denen nur selten eine freie Stelle zu finden war. "Täglich habe ich acht bis zehn Einladungen. Ich mache keinen Urlaub, aber organisiere schon mal ein wichtiges Treffen an einem schönen Ort. Ich liebe etwa Italien."

Sein "Aktionsbüro", sein Zuhause, fand der hünenhafte Kosmopolit mit den stets leicht zerzausten Haaren in der Elbchaussee-Villa. Die Zimmer voller Kunstwerke, Gemälde und Bücher, eine Mischung aus Museum und Bibliothek. Tapeziertische und Flip-Charts mit Plänen und Zeichnungen gehörten zum festen Inventar. Claus Großner sprach neun Sprachen, darunter Hebräisch, Chinesisch und Griechisch. Als einziger Protestant studierte er mit einem Stipendium an der päpstlichen Universität Gregoriana in Rom Theologie. Später folgten Philosophie, Jura, VWL und Soziologie. Die Liebe zur Wissenschaft begleitete ihn zeitlebens. "Für die Hochschulen war Claus Großner ein Ideengeber", sagt die Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach (CDU).

Für seine Beharrlichkeit war er bekannt. Einmal wollte Großner einen Termin mit Axel Springer und Peter Tamm, damals Vorstandsvorsitzender des Verlags Axel Springer, vereinbaren. Schließlich klappte es mit einem Treffen - im Gegenzug schickte Großner eine Rechnung über 20 000 Mark für seine Tätigkeit als Berater. Die Rechnung wurde nie beglichen. In Erinnerung blieb auch die Schlammschlacht um seinen gescheiterten Einkauf als Mitgesellschafter beim Suhrkamp-Verlag.

Der Investmentbanker, der mit Geldsummen jonglierte, wohnte stattlich, aber lebte sparsam. Mineralwasser vom Discounter und Schnittchen aus der Christianeumsküche bot er seinen Gästen auf Servietten des Nobelhotels Louis C. Jacob an. Oft sah man ihn am Straßenrand gehen, auf dem Weg zu einer Bushaltestelle. Denn er besaß weder ein Auto noch einen Führerschein, wurde häufig mitgenommen. Man kannte ihn halt. Das war sein Beruf.