Keiner hat an ihn geglaubt, doch inzwischen ist Tristan Seith ein erfolgreicher Schauspieler

Tristan Seith, 31, geboren in Koblenz. Ein ganz normaler Mensch, könnte man meinen. Chaotisch stürmt er in die Cafeteria, bietet uns an, ihn zu duzen und ist freundlich und erstaunlich offen. Das Schicksal brachte ihn weit herum und führte ihn auf Umwegen zu einer erfolgreichen Schauspielkarriere am Deutschen Schauspielhaus.

Von der Realschule wurde er auf die Hauptschule geschickt und gleich noch eine Klasse zurückversetzt, nicht weil er dumm war, sondern weil die Lehrer ihn nicht leiden konnten, meint Tristan. Er werde nichts im Leben erreichen, sagten ihm die Lehrer.

Beim Arbeitsamt verlief es nicht besser. Als Tristan auf die Frage, was er denn gerne beruflich machen würde, meinte, dass Filme ihn interessierten, habe der Beamte nur gelacht.

So schob er die Idee, seine Interessen zum Beruf zu machen, beiseite und begann eine Lehre. Die brach er nach kurzer Zeit ab. "Meine Ansichten und die meines Chefs stimmten oft nicht überein", sagt Tristan Seith.

Da stand er also da, sechzehn Jahre alt, ohne Job. Scheinbar alles das, was die Lehrer ihm prognostiziert hatten, schien eingetreten zu sein. Die nächsten sechs Jahre hielt er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Er war Hilfsarbeiter, Hausmeister und Bürokraft. Und verschlang nebenbei Unmengen von Literatur. Die Arbeit am Fließband gab ihm die Gelegenheit, auf die Maschine ein Buch zu legen und nebenbei zu lesen. Er ließ keine Gelegenheit aus, sich gute Filme anzuschauen. "Ich stopfte mich andauernd mit Kultur voll, auch wenn ich damals noch nicht wusste, wofür."

Zwischendurch versuchte er sich als Musiker, doch als die Familie anfing, Druck zu machen, schaute er sich weiter nach einem permanenten Job um. Ein Schlüsselerlebnis war der Film "Kurz und schmerzlos" des Hamburger Regisseurs Fatih Akin. "Ich konnte mich gut mit der Geschichte identifizieren und dachte mir, in dem Film hätte ich mitspielen müssen", sagt Seith.

Doch nach einem vergeblichen Versuch, in die Film- und Fernsehbranche zu gelangen, war er gezwungen, zu seiner Mutter zurückzuziehen. In der Zeitung las er von einem Vorsprechen des Stückes "Woyzeck" in der Koblenzer Kulturfabrik.

Da er nichts zu verlieren hatte, sprach er, ohne jegliche Erfahrung oder einen Text gelernt zu haben, vor und bekam nicht die erhoffte Statistenrolle, sondern die Hauptrolle des "Woyzeck". Nach zwei Jahren an diesem Theater beschloss er, sich bei verschiedenen Schauspielschulen zu bewerben. Gleich beim ersten Vorsprechen wurde er an der Bayerischen Theaterakademie August Everding aufgenommen.

Gegen Ende des Studiums wurde er dem Schauspielhaus Hamburg empfohlen, und Friedrich Schirmer engagierte ihn. Seither spielte Tristan Seith dort in zahlreichen Stücken (u. a. Dorfpunks) und Fernsehproduktionen mit.

Immer noch geht Tristan Seith häufig ins Kino und sammelt DVDs. Er mag Jazz und Soul, geht aber auch gern in die Oper: "Da kann ich noch ruhig sitzen und muss nicht die ganze Zeit über Verbesserungsvorschläge nachdenken, denn von Oper habe ich keine Ahnung."

Tristan ist nach langem Hin und Her endlich glücklich und hat im Schauspiel seine Berufung gefunden. "Ich kann nur allen raten, unvernünftig zu sein und ein Hobby auch mal zum Beruf zu machen", sagt er zum Abschied.