Rudolf Hickel, 68, ist Professor für Wirtschaftswissenschaften aus Bremen.

Hamburger Abendblatt:

1. Die Konsumenten stürmen die Kaufhäuser, vom besten Weihnachtsgeschäft seit Jahren ist die Rede. Warum sind die Deutschen derzeit im Kaufrausch?

Rudolf Hickel:

Für viele Bundesbürger ist die Zeit der Kurzarbeit vorbei, die mit finanziellen Einbußen verbunden war. Zudem sind die persönlichen Erwartungen der Menschen an die Zukunft auch weihnachtlich angetrieben eher optimistisch. Die Konjunktur kommt bundesweit in Fahrt, die offizielle Arbeitslosenzahl sinkt seit Monaten. Die Angst, den eigenen Arbeitsplatz zu verlieren, ist deshalb deutlich geringer geworden. Der Nachholbedarf beim Konsum ist groß. Die Menschen wollen sich endlich mal wieder etwas gönnen.

2. Wird der Konsumrausch mittelfristig anhalten?

Hickel:

Da bin ich skeptisch. Ich halte die Lage für sehr labil. Die Hartz-IV-Familien sind vom Weihnachtshype ausgeschlossen. Wir sollten nicht vergessen, dass in Deutschland immer mehr Beschäftigte für Löhne unter der Armutsgrenze arbeiten. Sie müssen ihre 5 oder 6 Euro, die sie pro Stunde erhalten, zwei- und dreimal umdrehen. Von großer Bedeutung für die Konsumentwicklung werden auch die Lohnverhandlungen im nächsten Jahr sein.

3. In welcher Höhe werden die Löhne 2011 zulegen?

Hickel:

Deutlich mehr als drei Prozent halte ich für realistisch und ökonomisch auch für vertretbar. Selbst Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle hat ja höhere Löhne gefordert - und das will schon etwas heißen, wenn sich ein FDP-Minister endlich um die Binnenkonjunktur kümmert.

4. Höhere Löhne führen meist zu höheren Preisen. Kommt jetzt die große Inflation?

Hickel:

Nein, hohe, sich verstärkende Inflationsraten sehe ich nicht. Im kommenden Jahr gehe ich von rund 1,5 Prozent aus. Allerdings werden die Energiepreise deutlich steigen. Auch mittelfristig werden wir meiner Meinung nach keine bedrohliche Geldentwertung sehen. Aussagen von anderen Ökonomen, dass die Staaten ihre Schulden über hohe Inflationsraten abtragen, halte ich für ein theoretisches Hirngespinst. Das wird am Ende die Europäische Zentralbank zu verhindern wissen.

5. Sollten sich die Menschen dauerhaft dem Konsumrausch ergeben oder Goldbarren kaufen?

Hickel:

Sein Geld für Goldbarren auszugeben, halte ich für Unsinn. Dafür ist der Goldpreis schon viel zu hoch. Ich finde es absolut in Ordnung, wenn die Menschen zum Weihnachtsgeschäft verstärkt konsumieren und auch Einkäufe nachholen. Aber sie sollten dabei nicht vergessen, Geld für die nächste Krise und das Alter zurückzulegen.