CDU-Politiker Klaus-Peter Hesse will Senioren mit HVV-Ticket zur Abgabe des Führerscheins bewegen. ADAC ist für “Mobilität im Alter“.

Hamburg. Sie fährt seit mehr als 50 Jahren Auto. "Unfallfrei", wie Charlotte Krug, 87 Jahre alt, betont. Ihren zehn Jahre alten Audi A4 (Kilometerstand: 48 000) nutzt die Alsterdorferin für Kurzstrecken innerhalb der Stadt. Sie sei eine erfahrene Fahrerin, war in einigen Großstädten in den USA, wo sie jahrelang gelebt hat, und im Linksverkehr von Tokio unterwegs. "Ich empfinde es als Bevormundung, wenn die Politik ständig fordert, dass Senioren ab einem bestimmten Alter ihren Führerschein abgeben sollen."

Doch genau dies wird aktuell wieder diskutiert. Anlass ist die steigende Zahl der "Seniorenunfälle": Waren 2005 in Hamburg 6970 Autofahrer, die älter als 64 Jahre waren, an Unfällen beteiligt, waren es im vergangenen Jahr bereits 9100. Das geht aus der Senatsantwort auf eine Anfrage des CDU-Verkehrsexperten Klaus-Peter Hesse hervor: "Diese Entwicklung ist besorgniserregend." Deshalb müsse nach Lösungen gesucht werden, damit Senioren ab einem gewissen Alter freiwillig auf ihre Fahrerlaubnis verzichten. Als Anreiz schlägt er vor: ein Jahr lang kostenlose Fahrten mit Bus und Bahn innerhalb des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV). "So sollen die älteren Menschen sehen, dass Mobilität auch mit unseren guten öffentlichen Verkehrsmitteln möglich ist." Einen entsprechenden Antrag will Hesse auf einem der nächsten CDU-Landesparteitage einbringen.

Doch mit einem eigenen Auto seien bestimmte Ziele immer noch leichter erreichbar als mit Bus und Bahn, sagt Rudolf Ahrens. Der 87-Jährige, der in der Seniorenresidenz Alsterpark an der Rathenaustraße lebt, steigt in seinen Opel Astra, um Freunde und Verwandte zu besuchen. "Mein Wagen sichert mir ein gewisses Maß an Selbstständigkeit." Außerdem müsse doch individuell entschieden werden, wie fahrtüchtig ein älterer Mensch sei.

Das sieht die GAL-Verkehrsexpertin Martina Gregersen ähnlich. "Es sollten deshalb alle Autofahrer in einem Abstand von zehn Jahren medizinisch untersucht werden. Das würde sicherlich helfen, die Zahl der Unfälle zu reduzieren." Die Kosten der Untersuchungen solle der Staat übernehmen.

Charlotte Krug, die weder bei Dunkelheit noch bei derzeitigen Witterungsverhältnissen ihr Auto bewegt, findet es ungerecht, allein auf die Alten zu schauen. "Nach einem Blick auf die Unfallstatistik könnte man auch darauf kommen, den 18 bis 24-Jährigen den Führerschein zu entziehen." Ein Argument, das auch Holger Pohlmann, Leiter der Verkehrsprävention der Polizei Hamburg, kennt: "Junge Autofahrer sind tatsächlich ein größeres Risiko als Senioren am Steuer." Jüngere seien 2009 in rund 1450 Unfälle verwickelt gewesen, bei denen Menschen zu Schaden kamen. Bei den Seniorenunfällen habe es sich in 85 Prozent der Fälle um Blechschäden gehandelt.

Der ADAC begrüßt es, wenn ältere Menschen bis ins hohe Alter mobil bleiben. Sprecher Matthias Schmitting: "Es wäre diskriminierend, wenn Senioren ab einem gewissen Alter gezwungen würden, ihren Führerschein abzugeben." Selbstverständlich sei es gut, wenn man Senioren Anreize für den Verzicht geben würde. Aber es müsse auf freiwilliger Basis geschehen. Tatsächlich verzichten schon viele Senioren auf ein eigenes Auto. Allein in den Appartements der Seniorenresidenz Alsterpark, in denen 140 ältere Menschen leben, sitzen weniger als zehn Prozent noch selbst hinterm Steuer.