Flugzeugbauer Airbus schätzt den Bedarf bis 2029 auf 26.000 neue Flugzeuge. Das macht auch die 12.000 Arbeitsplätze in Hamburg sicherer.

Hamburg. Auch wenn der Luftverkehr immer wieder in schwere Turbulenzen gerät, bleibt er auf lange Sicht ein Markt mit beachtlichen Wachstumsraten. Davon gehen jedenfalls die beiden führenden Hersteller von Ziviljets aus. Bis zum Jahr 2029 wird der Luftfahrtmarkt nach Einschätzung von Airbus um jährlich 4,8 Prozent zulegen. Auf dieser Basis würden 26.000 neue Verkehrsflugzeuge im Wert von 2,4 Billionen Euro gebraucht.

Ende 2009 hatte Airbus das Wachstum der Branche über die nächsten 20 Jahre noch auf 4,7 Prozent und den Bedarf an neuen Fliegern auf rund 25.000 Stück veranschlagt. "Die Markterholung fällt kräftiger aus als prognostiziert", sagte Airbus-Vertriebsvorstand John Leahy gestern in Toulouse bei der Vorlage der jüngsten Studie.

"Für den Standort Hamburg bedeutet das eine Sicherung der Arbeitsplätze", sagte Firmensprecher Tore Prang dem Abendblatt. "Durch die Effizienzprogramme der vergangenen Jahre sind wir in der Lage, mit einer annähernd gleichbleibenden Zahl von Beschäftigten künftig deutlich mehr Jets als bisher zu bauen."

Mit Blick auf den Markt ist der Erzrivale Boeing sogar noch optimistischer als Airbus. Der US-Konzern rechnet mit höheren Wachstumsraten von bis zu 5,3 Prozent pro Jahr im Passagierverkehr und einer Gesamtproduktion von 30 900 Flugzeugen bis zum Jahr 2029. Für Eric Heymann, Luftfahrtexperte bei der Deutschen Bank in Frankfurt, ist es deshalb nicht verwunderlich, dass beide Jethersteller sich alljährlich die Mühe machen, detaillierte Langfristschätzungen auszuarbeiten: "Für die Branche, die in derart langen Zeiträumen denkt, sind solche Prognosen schon für die eigene Produktplanung hilfreich. Denn sie liefern unter anderem Aussagen darüber, wie groß die Bedeutung einzelner Regionen künftig sein wird - und daraus kann man ableiten, wer die wichtigen Kunden sein werden und welche Art von Flugzeugen besonders gefragt sein wird."

Dabei ließen sich die Analysten bei den Herstellern keineswegs vom Wunschdenken ihrer Arbeitgeber zu unrealistisch zuversichtlichen Annahmen verleiten, meint Heymann: "Die Erfahrung hat gezeigt, dass langfristige Prognosen zum Luftverkehr in der Regel eher zu pessimistisch waren."

Unter den bedeutenderen Märkten wird der indische Inlandsflugverkehr nach Auffassung von Airbus mit einem Plus von 9,2 Prozent das stärkste Wachstum aufweisen. Insgesamt werde die Region Asien/Pazifik, die Indien und China umfasst, in 20 Jahren ein Drittel des weltweiten Luftverkehrsmarktes ausmachen und damit die USA und Europa mit jeweils je 23 Prozent klar überholt haben.

Während in Asien laut Airbus nicht zuletzt die Billigflieger für hohe Wachstumsraten sorgen dürften, profitieren die Flugzeughersteller auf den etablierten Märkten stark vom Austausch älterer Maschinen gegen moderne, ökoeffizientere Typen.

Im Hinblick auf die Stückzahlen machen die Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge - für die Hamburg das Kompetenzzentrum innerhalb des Airbus-Konzerns ist - mit fast 17.900 Stück knapp 70 Prozent der erwarteten Nachfrage aus. Zwar drängen in diesem Segment neue Anbieter unter anderem aus China auf den Markt, der heute zumindest bei den Jets mit mehr als 100 Passagierplätzen praktisch allein der A320-Familie von Airbus und der 737-Reihe von Boeing gehört. Heymann gibt aber zu bedenken: "Die Eintrittsbarrieren sind in dieser Branche sehr hoch. Man sollte nicht unterschätzen, wie lange es dauert, bis sich ein neuer Anbieter mit einem Flugzeug am Markt etablieren kann." Bis zu zehn Jahre könnten dafür ohne Weiteres vergehen, und dann sei die Hälfte des aktuellen Prognosezeitraums schon erreicht.

"Die beiden heute führenden Hersteller können das Aufkommen neuer Wettbewerber noch relativ gelassen sehen", sagte Heymann. "In den nächsten 20 Jahren wird deren Marktanteil noch vernachlässigbar sein, jedenfalls bei Kunden in den USA oder in Europa."

Am oberen Ende des Produktspektrums unterscheiden sich die Prognosen der beiden Rivalen auffällig deutlich: Während Airbus für Großjets wie den A380 einen Bedarf von mehr als 1700 Exemplaren sieht, werden laut der Boeing-Studie nur 720 Maschinen dieser Kategorie benötigt - und zwar fast ausschließlich in der Frachtversion, die Airbus vom A380 derzeit nicht im Angebot hat.

"Für beide der führenden Hersteller gilt, dass sie mit ihren Prognosen auch ihr jeweiliges Geschäftsmodell untermauern", meint Heymann dazu. "Die einen glauben, dass künftiges Wachstum im Luftverkehr ganz wesentlich über die Drehkreuze erzielt wird, die anderen setzen stärker auf Punkt-Punkt-Verbindungen abseits der Umsteigeflughäfen. Aus unserer Sicht haben aber beide Modelle erhebliches Potenzial."