Marlena ist schwerbehindert. Doch ihre Eltern ermöglichen ihr ein fast normales Leben

Meine Mutter war wieder schwanger und freute sich riesig auf ihr zweites Kind. Bis zum achten Monat schien noch alles in Ordnung, aber dann kam der Schock. Bei der Vorsorgeuntersuchung wurde der Arzt plötzlich ganz ernst. Er teilte meiner Mutter mit, dass ihr Kind nicht lebensfähig wäre. Das war ein Schock. Meine Mutter wollte es nicht wahrhaben und wechselte zu einem anderen Arzt. Dieser meinte, dass alles völlig normal sei. Meine Mutter war total verunsichert.

Eigentlich sollte ich am 27. April zur Welt kommen, aber weil es kritisch wurde, holten die Ärzte mich schon am ersten. Ich war ein Aprilscherz. Nur dass es nicht lustig war. Ich kam mit einem offenen Rücken zur Welt. Das ist eine Krankheit, die Spina bifida/Hydrocephalus heißt. Nachdem mich die Ärzte per Kaiserschnitt geholt hatten, wurde ich sofort in ein anderes Krankenhaus gebracht. Meine Mutter sah mich danach eine Woche lang nicht. Sie wusste nicht einmal, ob ich ein Junge oder ein Mädchen bin.

Als sie mich sehen durfte, wusste sie nicht, wie sie mich anfassen sollte. Überall steckten Schläuche in mir. Die Ärzte teilten meinen Eltern mit, dass ich niemals laufen würde und womöglich geistig behindert sei.

Nach drei Wochen durfte ich endlich aus dem Krankenhaus raus. Meine Mutter ist eine Kämpferin. Sie akzeptierte das Urteil der Ärzte nicht. Sechs Jahre lang ist sie mit mir jeden Tag zur Krankengymnastik gefahren. Sie ließ sich nicht unterkriegen und ich lernte langsam "laufen". Obwohl ich von der Hüfte abwärts gelähmt bin und kein Gefühl in den Beinen und Füßen habe, lernte ich durch Gewichtsverlagerung und Schwung meine Beine zu benutzen.

Für meine Eltern war es sehr wichtig, dass ich mit normalen Kindern spielte, und ich kam in den Kindergarten. Ich war das einzige behinderte Kind dort und keiner wusste, ob ich mit den anderen Kindern klarkommen würde. Aber schon nach zehn Minuten wollte ich gar nicht mehr weg.

Mit sechs kam ich in die Schule. Meine Eltern waren dafür, dass ich auf eine normale Schule gehen konnte, aber das sahen die Lehrer anders. Sie wollten sich nicht mit mir belasten. Meine Eltern haben so lange gekämpft, bis ich auf eine normale Grundschule gehen konnte. Seitdem kommt meine Mutter täglich in die Schule und versorgt mich. Ich nehme an Ausflügen und Klassenreisen teil wie alle anderen. Heute gehe ich in die 9. Klasse. Mein Ziel ist der Realschulabschluss. Ich habe trotz meiner Behinderung tolle Freunde gefunden, auf die ich mich verlassen kann. Auch wenn ich kein Fahrrad fahren oder Dinge tun kann, die Jugendliche in meinem Alter machen, bin ich glücklich. Meine Eltern haben nie aufgegeben, an mich zu glauben, und dafür bin ich ihnen sehr dankbar.