Vorher waren viele Länder Europas abhängig von der D-Mark. Erst die Einheitswährung gab ihnen Einfluss auf die Geldpolitik, beschreibt der Uno-Ökonom

Wie schlecht die universitäre Ausbildung in ökonomischen Fragen und jüngerer Geschichte inzwischen ist, lässt sich ohne Weiteres an der jüngsten Eurodiskussion ablesen.

Mehr und mehr gewinnt nämlich das Argument an Boden, es sei einfach eine Illusion der Gründerväter des Euro gewesen zu glauben, man könne zwölf oder 15 vollkommen unterschiedliche Länder mit einer einheitlichen Geldpolitik, also einem einzigen Zinssatz, steuern. Ja, man könne die rein politischen Motive zur Schaffung des Euro, so klingt es landauf, landab, geradezu an der Tatsache ablesen, dass offenbar niemand bedacht habe, dass ein einheitlicher europäischer Zinssatz den Unterschieden in der wirtschaftlichen Entwicklung nicht Rechnung tragen könne, man aber trotzdem dieses Wagnis eingegangen sei.

Wenn es dann den klugen Autoren solcher Sprüche noch gelingt, an geeigneter Stelle die "Theorie der optimalen Währungsräume" und die Namen einiger ihrer Gründerväter ins Spiel zu bringen, die schon immer gewusst hätten, dass das nicht gut gehen konnte, kann er sich des allgemeinen Beifalls der Ökonomenzunft sicher sein.

Aber auch wenn alle Universitäten der Welt es so lehren, ist es doch die Anwendung einer für diese Zwecke völlig ungeeigneten Theorie und ein gravierendes geschichtliches Missverständnis.

Die Einführung des Euro im Jahre 1999 bedeutete gerade nicht den Übergang von einer Situation der geldpolitischen Unabhängigkeit zu geldpolitischer Abhängigkeit, sondern den Übergang von geldpolitischer Abhängigkeit ohne Einfluss auf die europäische Geldpolitik zu einer Abhängigkeit mit Einfluss auf die europäische Geldpolitik. Das war für die meisten Länder ein enormer Fortschritt, weil sie vorher einseitig von der deutschen Geldpolitik abhingen.

Der Schritt von der Abhängigkeit von deutscher Geldpolitik zur Abhängigkeit von europäischer Geldpolitik ist in der Tat der große Fortschritt, den der Euro gebracht hat und den auch nur eine Währungsunion bringen konnte.

Wer das nicht glaubt, sollte mal die Diskussion nachlesen, die in Österreich über viele Jahre zu der Frage geführt wurde, ob man sich in Sachen Geldpolitik "die eigenen Hände binden" oder den Versuch unternehmen sollte, sich den unberechenbaren Schwankungen der internationalen Finanzmärkte auszusetzen.

Österreich hatte seine Währung nach dem Ende des globalen Währungssystems von Bretton Woods eben nicht den Märkten überlassen, sondern einseitig, aber fest an die D-Mark gekoppelt und hatte diese Bindung bis zur Einführung des Euro nicht mehr aufgegeben.

Wer nun sagt, der Preis für diese feste Bindung sei eben die Aufgabe von geldpolitischer Autonomie gewesen, irrt gewaltig. Es gibt nämlich keine faktische geldpolitische Autonomie bei offenen Grenzen für Güter und für das Kapital.

Bei den sogenannten flexiblen oder marktbestimmten Wechselkursen, die immer als Alternative zu allen Festkurssystemen herhalten müssen, ist die Notenbank zwar im rein formalen Sinne unabhängig, weil sie nicht gezwungen ist, am Devisenmarkt zu intervenieren. Keine Notenbank der Welt und keine Regierung kann aber ihre Währung einfach den Märkten überlassen, weil das erwiesenermaßen das Ende jeder vernünftigen nationalen Wirtschaftspolitik wäre.

Devisenmärkte finden in der Regel den Kurs gerade nicht, bei dem insbesondere kleine offene Volkswirtschaften ohne Störungen von außen eine Geldpolitik betreiben könnten, die den allein inneren Bedingungen dieser Volkswirtschaft angemessen wäre.

In Zeiten, in denen der sogenannte carry trade (die Spekulation mit Zinsdifferenzen) die dominierende Macht an den Devisenmärkten geworden ist, ist es geradezu lächerlich, an der Fiktion der geldpolitischen Unabhängigkeit bei flexiblen Wechselkursen festzuhalten.

Carry trade treibt die Währungen exakt gegen die Fundamentaldaten und erschwert damit das Geschäft der Notenbanken, statt es zu erleichtern. Es war der brasilianische Finanzminister, also der Finanzminister eines Landes mit formaler geldpolitischer "Autonomie" und flexiblen Wechselkursen, der kürzlich von einem "Währungskrieg" sprach, weil sein Land von spekulativem Kapital überflutet wird, das die Währung massiv aufwertet, obwohl Brasilien eine relativ hohe Inflationsrate hat.

Insofern war der Euro nicht nur politisch, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht eine vollkommen richtige Entscheidung. Dass er von einer zu lange fest an den Monetarismus glaubenden Zentralbank, ideologisch verbohrten Brüsseler Funktionären und unwissenden nationalen Politikern in den letzten zehn Jahren fast zu Tode gemanagt wurde, steht auf einem anderen Blatt.