Hamburgs Industriechef Hans-Theodor Kutsch fordert eine Initiative über alle Parteien hinweg und eine veränderte Hafenfinanzierung.

Hamburg. Die Industrie in der Metropolregion Hamburg hat die Wirtschaftskrise weitgehend hinter sich gelassen. Die Umsätze haben angezogen, die Beschäftigung ist stabil. Den Chef des Industrieverbands Hamburg (IVH), Hans-Theodor Kutsch, treiben derzeit vor allem maritime Themen um. Wie geht es mit der Elbvertiefung und im Hafen weiter. Denn hier entscheidet sich seiner Meinung nach auch die Zukunft vieler produzierender Betriebe.

Hamburger Abendblatt:

Herr Kutsch, freuen Sie sich auf die Neuwahlen in Hamburg?

Hans-Theodor Kutsch:

Von Freude zu sprechen wäre übertrieben. Ich erwarte mir von den Neuwahlen aber Klarheit in politischen und wirtschaftlichen Fragen für die Zukunft der Stadt. Bis zum Wahltermin im Februar darf es nun auf gar keinen Fall einen inhaltlichen Stillstand in der Hamburger Politik geben.

Waren Sie mit der Wirtschaftspolitik des schwarz-grünen Senats zufrieden?

Kutsch:

Zumindest hatte die Industrie für spezielle Sachfragen im sogenannten Tagesgeschäft immer Ansprechpartner. Bei übergeordneten Themen wie der zukünftigen Gestaltung des Industriestandorts Hamburg gab es dagegen erhebliche Defizite.

Was meinen Sie konkret?

Kutsch:

Die Politik geht aus meiner Sicht nicht zielgerichtet genug beim Ausbau des Industriestandorts zum Beispiel beim Bestandserhalt und bei Neuansiedlungen von Unternehmen vor. Dies gilt insbesondere für die direkte Ansprache internationaler Unternehmen, um sie für eine Ansiedlung in Hamburg zu begeistern. Zudem gab und gibt es Probleme beim Management städtischer Industrieflächen. Bis zum Jahr 2008 hatten die Hamburger Behörden nicht einmal eine einheitliche, detaillierte Übersicht, welche Industrieflächen mit welchen Kriterien in der Stadt vorhanden sind. Des Weiteren muss Hamburg seine Industriepolitik besser mit den Nachbargemeinden abstimmen. Das Dumping bei Grundstückspreisen zum Abwerben von Industriefirmen muss ein Ende haben.

Welches Thema brennt der Industrie besonders unter den Nägeln?

Kutsch:

Selbstverständlich bereitet uns die mögliche Verzögerung bei der Elbvertiefung große Sorgen. Es wäre für den Wirtschaftsstandort Hamburg und für ganz Deutschland verheerend, sollte die Fahrrinnenanpassung später als geplant kommen. Dann droht die Abwanderung großer Reedereien und in Folge der Verlust zahlreicher Arbeitsplätze. Deshalb fordere ich eine parteiübergreifende Allianz zur Beschleunigung der Elbvertiefung. Gerade die Grünen müssen sich daran beteiligen, denn sie haben beste Kontakte zu den Umweltverbänden, die der Elbvertiefung besonders kritisch gegenüberstehen.

Mit Blick auf den maritimen Standort Hamburg gibt es Streit über die künftige Hafenpolitik. Die Hafenbetriebe stöhnen über zu hohe Kosten. Zu Recht?

Kutsch:

Die Unternehmen im Hafen, Industrie wie Logistik, beklagen zu Recht, dass sie Leistungen bezahlen sollen, die entweder Aufgabe der Stadt und des Bundes sind oder nichts mit der Arbeit im Hafen zu tun haben. Wir haben als Interessenvertretung der Industrie im Hafen eine klare Position: Der Bau und die Instandhaltung der Wasserwege, Hafenbecken, Straßen und Brücken im Hafengebiet müssen künftig wieder aus dem öffentlichen Haushalt der Stadt bezahlt werden. Und auch für hafenfremde Leistungen wie die Instandhaltung des Alten Elbtunnels, den Hafengeburtstag oder die Beseitigung des Mülls nach dem Osterfeuer am Elbstrand muss die Stadt aus ihrem Haushalt aufkommen. Wenn der Senat meint, dass die HPA diese Aufgaben ausführen soll, dann sollen dies die zuständigen Behörden und Bezirke bezahlen, nicht aber die Unternehmen im Hafen. Diese Positionen stimmen wir im Moment mit dem UV Hafen Hamburg und der Handelskammer ab.

Das heißt: Die Kosten für die Unternehmen sinken, aber die hoch verschuldete Stadt hat noch höhere Ausgaben.

Kutsch:

Es ist nun mal eine elementare Aufgabe von Bund und Ländern, für eine Infrastruktur zu sorgen, mit der die Wirtschaft arbeiten kann. Eine florierende Wirtschaft im Hafen zahlt dafür Steuern und ist einer der größten Arbeitgeber Norddeutschlands. Und natürlich sind die Unternehmen bereit, für die Leistungen zu zahlen, die sie nutzen. Niemand im Hafen wehrt sich gegen Hafenentgelte, die marktgerecht und zugleich international konkurrenzfähig sind. Unsere Unternehmen sollen für die Nutzung des Standorts durch die Stadt nicht besser, aber eben auch nicht schlechter gestellt werden als die Konkurrenz in anderen Häfen. Die Kostenstruktur muss ferner ermöglichen, dass sich auch Industriebetriebe im Hafen ansiedeln können, die mit der maritimen Wirtschaft nichts zu tun haben. Der direkte Anschluss an die Wasserwege bietet immense Standortvorteile.

Wie ist Hamburgs Industrie durch die Wirtschaftskrise gekommen?

Kutsch:

Wir sind sehr zufrieden. Im ersten Halbjahr 2010 haben die 221 größten Industriebetriebe der Stadt ihren Umsatz um 35 Prozent auf 33,8 Milliarden Euro steigern können. Dabei ist das Inlandsgeschäft überraschend besser als der Export gelaufen. Die Zahl der Mitarbeiter konnte mit insgesamt 240 000 Mitarbeitern relativ konstant gehalten werden.

Wie lautet Ihre Prognose für 2011?

Kutsch:

Wir sind zuversichtlich, dass der Aufschwung auch im kommenden Jahr anhalten wird. Die Auftragseingänge für das erste Quartal 2011 machen Mut. Insgesamt sehen wir bundesweit ein Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent und für die Metropolregion Hamburg gehen wir von einer noch deutlich höheren Zahl aus.