Was die Kandidatur für die Wahl bedeuten könnte

Hamburg. Das bürgerliche Lager kann aufatmen, wenigstens ein bisschen: Walter Scheuerl gründet keine eigene Partei zur Bürgerschaftswahl. Eine neue Gruppierung der enttäuschten politischen Mitte hätte vor allem CDU und FDP, die ohnehin im Umfragetief stecken, Stimmen weggenommen.

Das ist das strategische Verdienst von Bürgermeister Christoph Ahlhaus sowie CDU-Partei- und Fraktionschef Frank Schira. Scheuerl kann der CDU einen Teil der konservativen Stammwähler zurückholen, die der Union wegen der schwarz-grünen Primarschule enttäuscht den Rücken zugekehrt hatten. Das ist, streng genommen, also bestenfalls ein Verlustausgleich, aber eben noch kein Zugewinn.

Scheuerls Stärke und Attraktivität lag bislang in seiner Unabhängigkeit, die er aufgibt, indem er auf der Liste der CDU kandidiert. Der Rechtsanwalt sprach als eine Art Robin Hood der Betuchten neben den Primarschulgegnern auch diejenigen an, die insgesamt von den Parteien enttäuscht waren. Er motivierte zu außerparlamentarischem Engagement und hätte das mit einer eigenen Partei ins Parlament tragen können. Dieses Protest-Potenzial wird er nicht mit in Richtung der Bürgermeister-Partei CDU ziehen können. Insofern ist Scheuerls Wirkung begrenzt.

Ahlhaus gibt mit dem Scheuerl-Coup und den Entscheidungen der zurückliegenden Tage wie etwa dem Planungsstopp für die Stadtbahn ein klares Signal aus: Er konzentriert sich auf die Stammwählerschaft der CDU. Die liegt in Hamburg etwa bei 25 Prozent. Dass das allein nicht zum Weiterregieren reicht, weiß Ahlhaus natürlich auch. Es sieht so aus, als ob der CDU-Bürgermeister angesichts der dramatisch gefallenen Umfragewerte für seine Partei die Reißleine gezogen hat, um nicht ins Bodenlose zu fallen. Diese Rechnung könnte aufgehen.

Der Preis ist hoch: Ahlhaus hat es geschafft, im Laufe von nur zehn Tagen die Tür zu einer Neuauflage eines Bündnisses mit der GAL auf Jahre, um nicht zu sagen für eine Dekade zuzuschlagen. Die Nominierung Scheuerls als des ärgsten GAL-Widersachers hat das jetzt zementiert. Der Ahlhaus-Schira-CDU ist das aktuell schon wegen des Frusts nach dem grünen Koalitionsbruch ziemlich egal. Perspektivisch ergibt sich daraus allerdings ein Problem. Welche Koalitionspartner bleiben der Union angesichts einer chronisch schwachen FDP noch? Streng genommen nur die SPD, die alles tun wird, die Union von der Macht zu vertreiben.

Und noch eine weitere Konsequenz ergibt sich: Es hat ja auch CDU-Mitglieder gegeben, die aus Überzeugung für die Primarschule waren. Sie durften es auch guten Glaubens sein, schließlich stand das Projekt im Koalitionsvertrag. Für alle, die nicht so wendig sind wie Ahlhaus und Schira, stellt sich die Frage, ob sie noch in der richtigen Partei sind. Wahr ist auch: Ahlhaus ist in der unangenehmen Lage, dass alle Alternativen gravierende Nachteile haben.