Erstmals wurde in Deutschland ein Mediziner verurteilt, weil er Geld von Pharmafirma annahm

Hamburg. Zum ersten Mal ist in Deutschland ein Arzt wegen "Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr" verurteilt worden. Der Hamburger Allgemeinmediziner Dr. B., 60, erhielt vom Landgericht eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 300 Euro, weil er in den Jahren 2004 und 2005 sieben Schecks von der Pharmafirma Ratiopharm angenommen hat.

Die 10 641 Euro hatte ihm eine Pharmareferentin der Ulmer Pillenfirma überreicht, weil Dr. B. in seiner Praxis eine Software auf den Computern installiert hat, die bei der Verschreibung von bestimmten Medikamenten zuerst die Pillen von Ratiopharm auswarf. Die Mitangeklagte R., 41, muss 90 Tagessätze à 50 Euro zahlen.

Der Arzt hat vor Gericht beteuert, seinen Patienten immer die Arzneien verschrieben zu haben, die sie brauchten - unabhängig davon, dass er eine Umsatzbeteiligung von Ratiopharm erhielt. Die Angestellte der Pharmafirma hat beteuert, die Schecks nur weitergereicht zu haben. Sie berichtete ausführlich über die Firmenpraxis, Ärzte mit Geld, Reisen und Geschenken zu ködern. Bei manchen "Fortbildungen" in der Branche stimmten nicht einmal die Namen auf den Teilnehmerlisten. Einige seien aus dem Telefonbuch übernommen worden.

Auch wenn Richter Stephan Sommer eine ausführliche Begründung dieses wegweisenden Urteils lieferte, ist der Fall damit nicht beendet. Otmar Kury, Anwalt der verurteilten Pharmareferentin, kündigte vorsorglich eine Revision an. Die würde wegen der Bedeutung des Falls direkt vor dem Bundesgerichtshof landen. Bundesweit sind Hunderte Fälle an anderen Gerichten eingestellt worden oder noch nicht entschieden, weil die Rechtslage schwammig ist. "Weil die Rechtsprechung außerordentlich kompliziert ist, haben wir zunächst Rechtsmittel eingelegt", sagte Kury dem Abendblatt. Kury sprach von einem hohen rechtlichen Niveau, auf dem verhandelt wurde. Denn es geht um die Frage, ob Ärzte als Beauftragte der Krankenkassen gelten oder als Freiberufler.

Richter Sommer sagte, Dr. B. und die Ratiopharm-Angestellte hätten geahnt, dass sie gegen das Berufsrecht der Ärzte verstießen. Doch die Besonderheit sei: Beide wussten nicht, dass das ein Straftatbestand ist. Und da die verdeckten Zahlungen aus der Pharmaindustrie an Ärzte gang und gäbe waren oder sind, fiel das Urteil nach Ansicht von Beobachtern relativ milde aus. Richter Sommer sagte: Dieses System hätten sich die Angeklagten nicht selbst ausgedacht. Bei Ratiopharm soll sich die neue Geschäftsführung von den früheren Praktiken verabschiedet haben.

Der Hamburger Ärztekammerpräsident Frank Ulrich Montgomery sagte dem Abendblatt: "Solche Kickback-Geschäfte zwischen Pharmafirmen und Ärzten sind grundsätzlich verboten. Wir müssen das Urteil berufsrechtlich prüfen." Ob der Hamburger Arzt Dr. B. Konsequenzen von der Ärztekammer fürchten muss, sei noch ungewiss. "Aber klar ist", sagte Montgomery, "ein Arzt ist kein Erfüllungsgehilfe der Krankenkassen." Richter Sommer jedoch meinte: Ein Arzt sei eine "Schlüsselfigur im System gesetzlicher Krankenkassen".