Das Niendorfer Café Meyer macht nach 62 Jahren Kaffee und Kuchen zu und hinterlässt eine große Lücke bei Fans des Kaffeehausplüschs.

Niendorf. Der rot-gold gemusterte Webteppich ist weich, die grünen Polsterstühle sind es auch. Auf den Holztischen liegen weiße Deckchen mit Spitzenbordüre, darauf - je nach Jahreszeit - eine kleine Zimmerpflanze im Umtopf. Die Tischleuchten im Tiffany-Stil spenden warmes Licht an diesem kalten Morgen im Dezember. Der Duft von frisch gebrühtem Mokka liegt in der Luft. Das ist Kaffeehauskultur pur mitten im Niendorf.

Im Café Meyer scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Die meisten Einrichtungsgegenstände stammen tatsächlich aus der ersten Stunde des Lokals. Kurt Meyer, Konditormeister aus Süddeutschland, und seine Frau Margarethe bauten es aus 30 000 Trümmersteinen auf, um es im Dezember 1948 als "Café am Marktplatz" zu eröffnen.

Exakt 62 Jahre später ist Schluss mit Torte und Bohnenkaffee. Am 30. Dezember servieren Peter und Elisabeth Meyer das letzte Kännchen im Traditionshaus am Niendorfer Marktplatz 4. Das Ehepaar setzt sich zur Ruhe. "Es ist der richtige Zeitpunkt", sagt Elisabeth Meyer. "So ein Haus wie unseres passt nicht mehr her. Zumindest nicht in Hamburg." Im Gegensatz zu Süddeutschland, Österreich oder der Schweiz hätten die jungen Leute kein Interesse mehr an gepflegter Kaffeehauskultur. "Plüsch und unser nostalgisches Flair, das kommt nicht mehr an. Alles muss schnell gehen, wie in den Coffeeshop-Ketten."

Einen Nachfolger, der den Stadtteil weiter mit cremigem Tortenwerk versorgt, wird es nicht geben. Die Söhne Eric und Kay hatten kein Interesse, ins Konditorengeschäft einzusteigen. "Selbst wenn es so gewesen wäre", sagt Peter Meyer. Die baulichen Änderungen, die hier vorgenommen werden müssten, sind zu aufwendig" Anfragen für eine Geschäftsübernahme habe es reichlich gegeben. "Die Räume entsprechen nicht den aktuellen Vorschriften und Ansprüchen. Die Sanierung ist einfach zu teuer." Die Meyers wollen Haus samt Grund verkaufen. Der Abriss und ein Neubau auf dem Filetstück am Niendorfer Markt sind wahrscheinlich.

Damit hat nicht nur die 60-jährige meyersche Tortentradition ein Ende. Neben Kaffee und Kuchen am Nachmittag bieten die Meyers und ihr derzeit neunköpfiges Team Frühstück mit selbst gebackenen Brötchen und deftig-deutschem Mittagstisch an, den die zahlreichen Stammgäste seit vielen Jahren täglich nutzen. "Das ist hier wie in einer großen Familie", sagt Elisabeth Meyer. "Wir kennen die Geschichten, Lebensläufe der meisten unserer Gäste. "Und wir kennen auch deren Schicksalsschläge." Wie bei Helga Schian. Seit ihr Mann nicht mehr lebt, kommt die Dame regelmäßig ins Café Meyer, um zu plaudern und Schnitzel mit Salzkartoffeln zu essen. "Ich habe noch keine Ahnung, wo ich ab Januar hingehen soll."

Ein paar Tische weiter hat sich ein Damensextett zum späten Frühstück niedergelassen. "Wir sind heute nach 30 Jahren zum ersten Mal wieder hier", sagt Helga Cappellari. "Als wir hörten, dass Meyers schließen, wollten wir noch mal herkommen, um uns zu verabschieden." Früher, meint Tischnachbarin Vera Svensson, da habe es im Café immer nach Kölnisch Wasser geduftet.

Das war in den goldenen Zeiten, als es auch abends hieß: "Komm, wir gehen zu Meyers." Da hätten Feuerwehr, Turn- und Gesangsverein noch keine Klubhäuser gehabt, erinnert sich Peter Meyer. "Die Leute kamen her, um nach Arbeit, Sport oder Singen zusammenzusitzen." Da seien im Café noch Hochzeiten und Taufen gefeiert worden. "Legendär waren die Eisbomben zu Vaters Zeiten, die als Höhepunkt der Feier von innen farbig illuminiert in den Saal getragen wurden. Dazu spielte ein Musiker die Melodie des Glühwürmchen-Liedes, und der ganze Saal sang mit."

Zuletzt hatten sich die Meyers auf das Tagesgeschäft und die Ausrichtungen von Trauerfeiern konzentriert. "Die finden am Mittag statt. Familienfeiern am Abend mit Open End - das wurde mit den Jahren einfach zu viel", sagt Elisabeth Meyer.

Jetzt freut sich das Ehepaar Meyer vor allem auf seinen ersten gemeinsamen Urlaub seit 1993, als Konditormeister Peter Meyer den Betrieb von Vater Kurt übernahm. "Wir wollen nach Schottland. Von Cornwall aus wollen wir die Küste hochfahren - das war schon immer unser Traum."

Am Donnerstag, 30. Dezember, gibt es im Café Meyer zum letzten Mal frische Brötchen, Hausmannskost und die unvergleichlichen Meyer-Torten zum Kaffee. "Wir planen keine Abschiedsfeier", sagt Peter Meyer. "Das wird ein ganz normaler Arbeitstag."