Der eine durchquert die Meere, der andere die Wüsten. Was Wilfried Erdmann und Achill Moser eint, ist der gelebte Traum von Freiheit.

Sie kennen beide das Alleinsein und wissen, wie schmerzhaft sich manchmal Einsamkeit anfühlt. Sie sind monatelang unter freiem Himmel unterwegs und führen im Grunde ein Doppelleben. Sie haben irgendwann einmal der Welt den Rücken gekehrt, um sie dann zu entdecken: Wilfried Erdmann, 70, und Achill Moser, 56, sind im Wortsinn Weltenbummler. Aber wenn die Grenzgänger über ihre abenteuerlichen Reisen um den Globus berichten, wie an diesem Wochenende beim ersten "MesseEvent für anderes Reisen" im Hamburger Völkerkundemuseum (siehe Text unten auf dieser Seite), dann ist das jedes Mal auch eine Geschichte über den langen Weg zu sich selbst.

Sie haben so viele Gemeinsamkeiten, obwohl der eine sein Leben lang auf dem Wasser und der andere fast ausschließlich in der Wüste unterwegs ist. Wilfried Erdmann ist dann wohl auch eher der Wellenbummler. Was eine Menge mit Zufall zu tun hat. Denn sein erstes Segelboot entdeckte er in Indien. Da war er 18 Jahre alt und hatte sich allein von Deutschland über Nordafrika nach Asien aufgemacht. Wollte aus dem normalen Leben ausbrechen. "Beim Anblick des Bootes kam mir das erste Mal der Gedanke zu segeln, um sich zu finden und sich selbst auszuloten."

Mit 26 Jahren lernte Erdmann, der heute in Goltoft an der Schlei wohnt, in Alicante an der spanischen Mittelmeerküste einen Engländer kennen - und erwarb wenig später von dem netten Herren "für ein paar Tausend Mark" das verwahrloste Segelboot "Kathena". Nach monatelanger Arbeit war das Boot im September 1966 seeklar. Erdmann war jung und machte um seine erste große Reise nicht viel Aufhebens. Sein Kurs: Karibik, Panama, Tahiti, Kap der Guten Hoffnung. Als Erdmann am 7. Mai 1968 nach 421 Tagen in Helgoland festmachte, hatte er nicht nur 30 223 Seemeilen im Kielwasser, sondern auch als erster Deutscher die Welt allein umrundet.

Seitdem lebt Erdmann für das und von dem Segeln. Auf die Einhandfahrt folgte 1969 eine dreijährige Weltumseglung mit seiner Frau Astrid in einem 8,90 Meter langen Stahlboot, "das mehr nass als trocken segelte". Und 1976 erfüllte er sich den Traum eines jeden Fahrtenseglers: dreieinhalb Jahre Südseesegeln mit Frau und dem dreijährigen Sohn Kym. Als die Erdmanns ihre Reise im Sommer 1979 beendeten, hatten sie 144 Inseln gesehen.

Eine zweite Nonstop-Weltumseglung vollbrachte Erdmann vor zehn Jahren. Er segelte in 343 Tagen allein gegen den Wind - von Cuxhaven nach Cuxhaven. Dieses Wagnis hatten vor ihm erst vier Segler geschafft. In seinem Bordbuch hielt er die lange Zeit mit harten Polarstürmen, mit Angst und Hochgefühlen fest. Wieder daheim, brachte er die überwältigenden Erlebnisse zu Papier. Das Buch "Allein gegen den Wind" stand 32 Wochen auf der "Spiegel"-Bestsellerliste.

Erdmanns erstes Buch trug den Titel "1000 Tage Robinson". Und es war für Achill Moser "ein ganz wichtiger Anstoß", seinen eingeschlagenen Weg weiterzuverfolgen. "Da war jemand, der machte und beschrieb genau das, was ich gerne tun wollte: Mut haben und meine Träume leben", sagt er.

Moser war 18 Jahre alt und schon zwei Jahre zuvor das erste Mal auf eigene Faust mit dem Zug von Hamburg nach Marokko gefahren. "Und von dort bin ich mit einer Beduinen-Karawane in die Sahara gegangen."

Nie wird er den Augenblick vergessen, als er zum ersten Mal unter dem tiefblauen Himmel eine gelbbraune Fläche mit Wanderdünen sah. "Das war wie eine Offenbarung - ein goldgelber Ozean."

Die Weite war wie ein Magnet, sie hat ihn nie wieder losgelassen.

Er durchquerte zu Fuß 25 von weltweit rund 40 Wüsten. Sie lassen ihn auch deshalb nicht mehr los, weil er dort immer wieder seinen Rhythmus findet. "Die Wüste birgt alles, legt alles in dir frei, wenn du dich nur darauf einlässt: von größten Glücksgefühlen bis zu dunklen Angstzuständen."

Er gründete eine Familie, hat zwei erwachsene Söhne und ist doch immer wieder von Hamburg aus losgezogen. Er sagt, er sei "mit Leib und Seele" ein Großstadtmensch, geht gern mit Freunden essen und ins Kino, spielt Fußball. Die Partnerschaft mit seiner Frau Rita, die als Physiotherapeutin in der Uniklinik Eppendorf arbeitet, hält seine Rastlosigkeit aus. "Das, was Rita und ich haben, ist sehr wertvoll und überhaupt keine Selbstverständlichkeit. Meine Frau ist unglaublich stark." Sie hat sich vor ein paar Jahren auf die Kinderkrebsstation versetzen lassen. "Manchmal kommen uns die kleinen Knirpse mit ihren Eltern besuchen. Das ist bedrückender als die Wüste", sagt Achill Moser. Gerade hat er erfahren, dass im UKE von Januar bis Mitte November 69 Kinder auf der Krebsstation verstorben sind. "Das zeigt, wie schmal der Grat zwischen Freude und Leid, Glück und Trauer, Leben und Tod ist."

Natürlich habe sich seine Frau mit einem Single-Dasein auf Zeit arrangieren müssen. Er ist immer ohne Handy oder Navi unterwegs. "Manchmal, wenn es in der Oase ein Telefon gibt, melde ich mich. Aber eigentlich nicht so gerne. Es fällt mir einfach sehr schwer, nach dem Auflegen Sehnsüchte und Zweifel am eigenen Tun wegzuschieben."

Moser orientiert sich an den Sternen. Er lernte, auf Kieselsteinen zu lutschen um Essfantasien zu entwickeln. Er wanderte 5500 Kilometer vom Atlantik bis zum Nil durch die Sahara.

Was verbindet die beiden norddeutschen Abenteurer? "Der Traum von Unabhängigkeit und Freiheit", sagen sie. "Diese Sehnsucht ist bei uns beiden wohl so wichtig, dass wir dafür auch viele Risiken in Kauf nehmen."

Achill Moser ist überfallen und ausgeraubt worden, hatte Skorpione und Schlangen im Rucksack. In Algerien kroch ihm eine giftige Hornviper am Lagerfeuer unter die Wolldecke. "Ihr Biss ist tödlich, zum Glück entdeckte ich das Tier rechtzeitig." In Marokko kam ein Rudel Wildhunde an sein Lager. "Die musste ich die ganze Nacht lang mit Knüppeln fernhalten", sagt er.

"Aber die größere Gefahr ist das eigene Ich. Es kann einen zusammenfalten." Die Einsamkeit, die ihm immer wieder auch so viel Glück beschert, macht ihm dann schwer zu schaffen. "Doch irgendwann lernt man, sich auszuhalten", sagt Moser.

Er geht, um aus der Hektik und der Schnelllebigkeit auszusteigen. "Man schafft sich beim Gehen so eine Art Denklandschaft." Welten entstehen im Kopf, viele Gespräche mit sich selbst müssen geführt werden. Er geht zu Fuß, "damit die Seele Schritt halten kann".

Ist er auf seinen beschwerlichen Reisen durch den heißen Wüstensand schon einmal dem lieben Gott begegnet? "Na ja", sagt Moser. "Ich bin ein verdammt großer Skeptiker. Aber ich habe schon das Gefühl, dass ich auf meinen Reisen nicht allein bin." Da habe sich etwas verändert gegenüber dem Achill Moser, der mit 25 Jahren unterwegs war. Bei Fragen nach einer höheren Instanz hält er es heute mit dem Satz: "Der Glaube macht es wahr."

Achill Moser hat die Bibel und den Koran jeweils zweimal gelesen. Er weiß, wie man sich verhalten muss, um in einer fremden Welt nicht mit der Tür ins Haus zu fallen. "Wenn man als Fremder an einen neuen Ort kommt, dann ist es ratsam, sein Zelt erst einmal am Rande aufzubauen", sagt er. Dann kommen erst die Kinder, danach die Frauen und schließlich die Männer des Dorfes, um den Gast kennenzulernen.

Moser ist ein großer Mann mit Vollbart und langen dunklen Haaren. Aber weil seine Augen lachen können, ist er in der arabischen Welt im Grunde immer freundlich empfangen worden. "Natürlich gibt es überall wirre Köpfe", sagt er. Aber wenn man, so wie er, über so viele Monate in diesen islamischen Ländern unterwegs gewesen ist, dann weiß man, "dass die Menschen wie überall auf der Welt zufrieden sind, wenn sie eine Familie und Arbeit haben und in Frieden zusammenleben können". Ihm sind, trotz einiger brenzliger Situationen, jedenfalls noch nie Menschen begegnet, "die auf Kreuzzüge aus waren".

Auf der Flucht befindet sich Moser schon lange nicht mehr. So wie damals, mit 17, als er die Enge in seinem kleinen Zimmer im dritten Stock eines roten Klinkerwohnblocks in Bramfeld nicht ausgehalten hat. Immer wieder machte er sich auf und davon. Blieb dann länger als erlaubt weg und flog siebenmal von der Schule. Hat trotzdem sein Abitur gemacht und dann Wirtschaftswissenschaften, Afrikanistik, Ethnologie und Arabisch studiert.

Ist auch vor seinem Elternhaus und dem lieblosen Stiefvater weggelaufen, der kein Interesse an dem kleinen Achill zeigte. "Ich habe wohl niemals aufgehört, mich nach Zuneigung meines Stiefvaters zu sehnen", sagt Achill Moser. Und manchmal denkt er sogar, "dass eine einzige Umarmung von ihm viel mehr bewirkt hätte als alle meine Reisen durch die Welt".