Es sind einfach nicht seine Wochen derzeit. Jeder schaut ihn so komisch an, manche tuscheln etwas davon, dass der Braten fett sei, und er fühlt sich massiv missverstanden und verfolgt. Wer könnte es Carl Gustaf auch verdenken? Während der eine, seines Zeichens Monarch im hohen Norden durch (angebliche) amouröse Eskapaden um seinen guten Ruf bangen muss, fürchtet der andere gar um sein Leben. Ist doch die Zeit zwischen dem Martinstag und Weihnachten traditionell nicht die beste Zeit für Gänse - also, aus der Sicht des Federviehs jedenfalls. Und so ist auch Ganter Carl Gustaf dieser Tage ein wenig mehr auf der Hut als sonst, auch wenn er in Hagenbecks Tierpark den Ofen nicht zu fürchten hat.

Dafür aber die Gärtner. "Wir haben gerade die Uferkanten am Großen Teich erneuert, dafür mussten wir die Gänse zum Japanischen Teich rübertreiben", sagt Volker Friedrich. Der Reviertierpfleger ist neben den Leoparden, Trampeltieren und Bisons auch für die Gänseschar am Großen Teich zuständig. Diese setzt sich aus Schnee-, Kaiser-, Kanada-, Kurzschnabel- und Blässgänsen und eben auch aus zehn Rothalsgänsen zusammen, von denen Carl Gustaf eine ist.

Rothalsgänse gehören zur Gattung der Meergänse und sind eng mit den Ringelgänsen verwandt. Mit ihrem schwarzen Gefieder, dem rostroten, Namen gebenden Hals und den weißen Konturlinien sind sie die buntesten Meergänse. Volker Friedrich gefällt das grafische Äußere der recht kompakten Vögel: "Rothalsgänse sind sehr schöne Tiere." Waren die in ihrem Freilandbestand gefährdeten und daher geschützten Gänse früher recht selten in der Haltung (Friedrich: "Ein Paar kostete mal 1000 Mark"), sieht man sie heute dank guter Nachzuchterfolge häufiger in Zoologischen Gärten und Vogelparks.

Auch bei Hagenbeck haben die drei Brutpaare, die sich unter den zehn Vögeln zur lebenslangen Einehe zusammengefunden haben und zu denen auch Carl Gustaf und seine Auserwählte zählen, jedes Jahr Nachwuchs. Sie brüteten in den Rabatten rund um den Großen Teich, so der Tierpfleger, und das mit gutem Erfolg. "Seit wir einen neuen Außenzaun haben, kann kein Fuchs mehr in den Park kommen, der den Eiern und den Jungen gefährlich werden könnte. Allerdings müssen die Altvögel ihre Brut immer noch gegen Marder und Silbermöwen verteidigen", sagt Friedrich.

Das tun Carl Gustaf und seine Artgenossen so aggressiv, wie sie in der gesamten Brutzeit gegen Eindringlinge in ihrem Revier vorgehen - Tierpfleger eingeschlossen. "In der übrigen Zeit laufen sie aber eher vor uns weg", sagt Friedrich. Bei den Rothalsgänsen brüten nur die Weibchen, die man äußerlich aber kaum von ihren Partnern unterscheiden kann.

Beide Geschlechter werden etwas mehr als einen halben Meter lang und bis zu 1,5 Kilogramm schwer. Die Männchen bewachen das brütende Weibchen und das Gelege mit den vier bis fünf hellgrünen Eiern. In freier Wildbahn brüten Rothalsgänse in Kolonien und gerne in der unmittelbaren Nähe von Greifvogelnestern, da die Falken oder Bussarde im direkten Umfeld ihres Horstes nicht jagen, jedoch strikt gegen andere Beutegreifer wie zum Beispiel Füchse vorgehen - und die Gänse so vor diesen geschützt sind.

Bei Hagenbeck sind die Rothalsgänse das ganze Jahr über draußen, da sie an kaltes Wetter angepasst sind. Die Brutgebiete der wild lebenden Tiere liegen in der europäischen Arktis, insbesondere im westlichen Sibirien, und die Überwinterungsgebiete der Zugvögel sind in Zentralasien, insbesondere in Kasachstan, im Irak und hauptsächlich an der westlichen Schwarzmeerküste zu finden.

"Rothalsgänse ernähren sich hauptsächlich von Gras, deshalb ist der Rasen rund um den Teich immer so kurz", sagt Volker Friedrich. Zusätzlich füttert er den Vögeln, die bis zu 30 Jahre alt werden können, Weizen und Mais. Erschrickt sich dabei einmal ein Tier oder müssen Vögel eingefangen werden, gehen sie auch gerne auf den Teich stiften, verrät der Tierpfleger. Bei Gefahr sollen Rothalsgänse sogar abtauchen können - ein Phänomen, das man bei Carl Gustaf gerade gut verfolgen kann. Also, dem in Schweden.

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