Die 41-jährige Ann-Kathrin Guballa fertigt in ihrer Werkstatt “Königinnen“ Perücken für Krebspatientinnen nach der Chemotherapie.

Eimsbüttel. Sie macht Perücken - und damit Mut. Den meisten der Frauen, die zu Ann-Kathrin Guballa in die Werkstatt "Königinnen" am Eppendorfer Weg kommen, hat der Krebs die Kraft und eine Chemotherapie das Haar geraubt. Letzteres gibt Ann-Kathrin Guballa ihnen zurück. Denn auf Wunsch knüpft die ausgebildete Friseurin und gelernte Maskenbildnerin von Hand aus dem Echthaar der Kundin eine Perücke. "So bleibt das Haar bei den Frauen - auch in schwierigen Zeiten", sagt die 41-Jährige.

Endlich, sagt die zweifache Mutter, tue sie mit dem, was sie gelernt habe, etwas Sinnvolles. Dabei hat Ann-Kathrin Guballa, die in Lübeck aufgewachsen ist, natürlich auch schon durchaus Sinnvolles getan, ehe sie sich vor Kurzem in Eimsbüttel selbstständig machte. Mehr als 21 Jahre lang frisierte sie Sänger und Schauspieler an den großen Bühnen der Republik, von Lübeck bis Tübingen, von der Oper Bonn bis zum Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. "Wenn man für den Damenchor zuständig ist und 50-mal die exakt gleiche Frisur hinbekommen muss, dann lernt man das Handwerk von der Pike auf", sagt Ann-Kathrin Guballa mit ihrer sanften Stimme.

Sie sitzt in einem gemütlichen grünen Sessel in ihrer lichten, aber schlichten Werkstatt im Erdgeschoss, in die bunte Blumen und Bonbons ein bisschen Farbe bringen und sie selbst viel Herzenswärme. Eine Kundin, die - wie die meisten - sehr zögerlich und schüchtern zur Tür hereingekommen war, habe zu ihr gesagt: "Bei Ihrem ersten Satz wusste ich, dass ich hier richtig bin. Beim zweiten, dass ich mich wohlfühle. Und beim dritten, dass Sie mir helfen werden." Das sei eine unbezahlbare Wertschätzung, die sie früher nicht erfahren habe.

Als sie zum Make-up-Team amerikanischer Spielfilmproduktionen gehörte, in Potsdam-Babelsberg Schauspieler schminkte oder Kevin Kuranyi und andere Fußballhelden für den Werbefilm eines Schokoladen-Brotaufstrichs professionell altern ließ. "Das war alles wahnsinnig spannend, aber auch schnelllebig. Und nichts ist so befriedigend wie das Gefühl zu helfen."

Schon mehr als 30 Frauen hat Ann-Kathrin Guballa in den vergangenen Wochen geholfen. Mit maßgefertigten Perücken oder einem Tuch, an das ein Haarteil, beispielsweise ein Pony, geknüpft ist. "Für die schnelle Lösung - wenn man mal kurz zum Bäcker muss oder den Müll herausbringt." Denn das Schlimmste in einer ohnehin schlimmen Zeit - das hätten ihr die Kundinnen erzählt - seien die mitleidigen Blicke. Eine Glatze wollen deshalb nur die wenigsten Frauen tragen.

Mehr als 5000 Hamburger erkranken jedes Jahr an Krebs. Doch Haarhäuser gebe es in der Hansestadt nur wenige, sagt Ann-Kathrin Guballa: "Viele verkaufen Modelle von der Stange. Das ist okay, aber leider sehen diese Perücken oft sehr unecht aus." Guballa erstellt zunächst einmal nach dem Kopf der Kundin ein Gipsmodell, auf dem die sogenannte Montur, der Perückenunterbau, entsteht. "Damit die Perücke möglichst natürlich aussieht, bringe ich in jedes Haarersatzteil mindestens vier verschiedene Farbtöne ein." Auch individuelle Wirbel und den entsprechenden Haarschnitt berücksichtigt die Handwerkerin, die mindestens 40 Stunden an einer Perücke arbeitet.

Etwas weniger Zeit benötigt sie, wenn sie einen "Rohling", der auch schon zwischen 500 und 1000 Euro kostet, umarbeitet. "Mir ist schon klar, dass viele Frauen auch über diese Investition nachdenken müssen. Es geht schließlich nicht um 3,80 Euro, und die Krankenkassen übernehmen meist nur einen Teil der Kosten." Je nach Kopfgröße, Haarqualität (echt oder künstlich) und Haarlänge koste eine Perücke auch schon mal bis zu 3000 Euro.

Mindestens so wertvoll ist die Diskretion, die Ann-Kathrin Guballa ihren Kunden bietet. "Ich schließe die Tür ab und ziehe einen Raumteiler ein, sodass die Werkstatt von der Straße aus nicht einsehbar ist", sagt sie. Auch den Namen ihrer Werkstatt, "Königinnen", habe sie bewusst ausgewählt. "Ich wollte bewusst keinen Namen, der irgendwie mit Krankheit in Verbindung steht." Anfangs habe sie befürchtet, mit den teils dramatischen Krankengeschichten nicht klarzukommen. Doch das Gegenteil sei der Fall. "Die Frauen haben so viel Lebensmut. Sie zeigen mir jeden Tag, was wirklich wichtig ist im Leben."